Ulf Küch (60) ist Landesvorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter – und zugleich Leiter des Zentralen Kriminaldienstes der Polizei in Braunschweig. Er äußert sich zur aktuellen Flüchtlingssituation im Gespräch mit dem Rundblick beim Redaktionsbesuch in Hannover.

Ulf Küch (Mitte) mit Klaus Wallbaum und Isabel Christian vom Rundblick  -  Foto: MB.

Ulf Küch (Mitte) mit Klaus Wallbaum und Isabel Christian vom Rundblick – Foto: MB.

Rundblick: Herr Küch, es kommen weniger Flüchtlinge als noch vor anderthalb Jahren. Sind die Probleme mit der Integration damit kleiner geworden?

Küch: Es gibt nach wie vor große Schwierigkeiten. Das liegt zum Beispiel daran, dass viele abgelehnte Asylbewerber, die eigentlich schon hätten abgeschoben werden sollen, zusammen mit Flüchtlingen untergebracht sind. Wenn Leute hier auf engem Raum zusammensitzen, die notwendige Abschiebung aber nicht geschieht, können sie auf dumme Gedanken kommen. Es werden Straftaten begangen – und die Bevölkerung reagiert darauf zunehmend skeptisch. Ich bin dafür, dass Kriegsflüchtlinge von denen getrennt werden, die eigentlich abgeschoben werden sollen.

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Rundblick: Warum?

Küch: Unsere Erfahrung zeigt, dass vielen Kriegsflüchtlingen etwa aus Syrien zu Unrecht unterstellt wurde, sie würden zur Kriminalität neigen. Dort, wo wir Probleme hatten, waren es oft Menschen aus dem früheren Jugoslawien und Albanien, aus Georgien, aus Nord- und Zentralafrika. Aus dieser Gruppe haben zu 95 Prozent kaum eine Chance, als Asylbewerber anerkannt zu werden. Aber die Abschiebung geschieht nicht – oft auch deshalb, weil die Herkunftsstaaten nicht kooperieren und die notwendigen Papiere nicht vorliegen. In diesen Fällen klappt die Abschiebung nicht.

Rundblick: Was raten Sie in solchen Fällen?

Küch: Die Politiker müssen ehrlich sein und den Menschen sagen: Einige Leute, die wir gern abschieben würden, werden wir nicht los. Wir müssen dann konsequent in der Strafverfolgung sein.

Rundblick: Geschieht das etwa nicht?

Küch: Nicht überall. Braunschweig ist da eine positive Ausnahme. Unsere Polizeibehörde und die Staatsanwaltschaft haben darüber gesprochen. Wir haben der Justiz gesagt, dass es für die ganze Gesellschaft schädlich ist, wenn ein Ladendiebstahl geschieht – und der von der Polizei vernommene Täter dann ein halbes oder ein dreiviertel Jahr später erst seinen Strafbefehl bekommt. Viele von denen, die eigentlich schon hätten abgeschoben werden müssen, haben viermal täglich einen Ladendiebstahl begangen, und nach jeder Polizeivernehmung sind sie dann lächelnd weitergezogen. Die haben irgendwann gemerkt, dass ihr Verhalten aktuell keine Folgen für sie hat. Also hat die Justiz in Braunschweig nach Gesprächen mit uns reagiert und sich entschieden, das Instrument der Hauptverhandlungshaft anzuwenden. Damit gilt in Braunschweig das Prinzip: Die Strafe folgt der Tat auf dem Fuß. Wer einen Ladendiebstahl begeht, findet sich schon nach wenigen Tagen vor Gericht wieder – und die Strafe kann in Geldauflagen oder in einigen Tagen Freiheitsentzug bestehen. Die Täter überlegen sich das sehr genau, denn eine Freiheitsstrafe kann auch ein Grund sein, dass ein Asylantragsverfahren abgekürzt und ein solcher Antrag umgehend abgelehnt wird. Das wollen viele nicht riskieren, weil sie glauben, sie könnten Asyl bekommen.

Rundblick: Wie offen geht die Polizei mit diesem Thema um? Werden die Probleme beim Namen genannt – oder gibt es Versuche, manches etwa zur Herkunft der Täter zu verschleiern?

Küch: Das ist doch die Lehre aus den Ereignissen, die wir in Braunschweig gezogen haben: Es nützt nichts, beispielsweise die Nationalität von Tätern zu verschweigen. In Braunschweig etwa wird nichts verheimlicht, hier wird Klartext gesprochen. Und es ist doch auch richtig, dass die Probleme dann entstehen, wenn man wichtige Regeln nicht beachtet. Zum Beispiel in Peine, wo es vor ein paar Tagen zu Schlägereien unter Ausländern gekommen ist. Das ist der Klassiker: Seit Ende der achtziger Jahre haben sich in bestimmten Städten abgeschottete Gruppen von Ausländern gebildet, die nicht in die deutsche Gesellschaft integriert wurden. Sie leben ihr Eigenleben und versuchen, ihre Konflikte selbst zu lösen. Sie haben eine Distanz zum Staat und zur Polizei. Soetwas darf jetzt nicht auch mit den Flüchtlingen passieren, die aus den Bürgerkriegsgebieten etwa in Syrien zu uns gekommen sind. Unsere Aufgabe ist es, sie in die Gesellschaft aufzunehmen, die Kinder in Kindergärten und Schulen zu schicken, den Erwachsenen die deutsche Sprache zu vermitteln, die Frauen mit deutschen Frauen zusammenzubringen – so, wie es etwa in bestimmten Gegenden schon in Niedersachsen vorbildlich geschieht.

Rundblick: Sehen Sie auch Fehlentwicklungen?

Küch: Ja, zum Beispiel in Salzgitter. Da ist ein Flüchtlingsheim trotz Warnung von Fachleuten, die sich in diesen Fragen auskennen, direkt in ein Industriegebiet gebaut worden. Also weit ab von bebautem Gebiet und den anderen dort lebenden Menschen. So kann Integration nicht starten und funktionieren. Das Gegenteil sehen wir in Braunschweig, dort sind die Flüchtlingsheime mitten in der Stadt. Und wenn die Unterkünfte irgendwann für die Menschen aus Syrien nicht mehr gebraucht werden, hat die Stadt schon eine Nachnutzung – als Studentenwohnheime. Daran herrscht ja ständig ein Mangel.

Rundblick: Welchen Rat haben Sie an die Politik?

Küch: Alle, Politiker, Polizisten, Journalisten und Verwaltungsbeamte sollten auf ihre Wortwahl achten. Wenn es um die Kriminalität von Ausländern geht, muss man genau hinsehen, um wen es sich handelt. Ganz oft sind die Flüchtlinge, denen in der Gesellschaft so vieles Negatives unterstellt wird, gar nicht die Schuldigen.