„Das Lernen mit digitalen Medien ist ein zentrales Zukunftsthema.“ So steht es im Koalitionsvertrag. Währenddessen nimmt die bundesweite Digitalisierung der Bildung in Hannover ihren Anfang. Hier hat sich im Mai der Bundesverband digitale Bildung gegründet. Die Internetseite spricht „digital natives“ bisher noch nicht so recht an, und die Gruppe, die den Verband aufbaut, ist noch klein. Ein Geschäftsführer eines großen Verlages, ein Vertriebsprofi und die Geschäftsführerin eines Unternehmens für digitale Bildung gehören ihr unter anderem an. Ziel sei es, verschiedene Interessengruppen zusammenzubringen und Aufklärungsarbeit zu leisten, sagt Vorstandsmitglied Marc Klages. Er bemängelt eine Lücke zwischen Schule und Arbeitsrealität. „Das Bildungssystem und die Firmen müssen besser zueinander finden. Wir sind nicht vorbereitet auf das, was kommt“, meint Klages.

Aber was kommt? Klages nennt die Digitalisierung den größten je dagewesenen Paradigmenwechsel. „Absolventen werden künftig in der Lage sein müssen, Geschäftsmodelle unter diversen Kontexten zu entwickeln. Und das bedeutet: Es dürfen nicht nur Anwender sein.“ Nur den ganzen Tag auf das Handy starren, reicht also nicht. Smombies, so genannte Smartphone-Zombies werden solche Menschen in der Jugendsprache genannt. Und auch Klages nennt sie so. „Niemand hat bislang vermittelt, wie wichtig der differenzierte Umgang mit den Geräten ist. Es gibt zu wenig Medienkompetenz in den Schulen.“

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„Unser Bildungsziel ist die Bereitschaft und Fähigkeit zu selbstbestimmtem Denken und Handeln in einer digitalisierten Welt“, heißt es im Koalitionsvertrag. Etwa 1000 Schulen arbeiten in Niedersachsen aktuell mit digitalen Endgeräten, heißt es aus dem Kultusministerium. Am Ende sollte nach Meinung der Vorstandsmitglieder des neuen Verbandes jedes Kind in Niedersachsen über ein eigenes Gerät verfügen können. Allerdings reiche es nicht, den Schülern einfach nur ein Tablet in die Hand zu drücken. Es brauche immer mehrere Schritte, bevor es zu einer Tabletklasse kommt, sagen die Experten. „Lehrer benötigen Schulungen, die Eltern brauchen Informationen, ein Medienentwicklungsplan muss erarbeitet werden“, erklärt Stephanie Kleta-Bohmann. Es gehe nicht allein um die Infrastruktur an den Schulen, sondern auch um die Ausbildung der Lehrer. Die führe dann auch automatisch zu mehr Akzeptanz für die Technologien. Am Ende werde das Tablet nur eine Ergänzung und nicht das zentrale Elements des Unterrichts sein.

Viele Schulen haben großes Interesse an der digitalen Bildung, aber das Umfeld ist oft noch nicht darauf eingestellt – so zum Beispiel die Schulbuchverlage. Kleta-Bohmann ist in inzwischen Geschäftsführerin in einem Unternehmen für digitale Bildung, zuvor hat sie viele Jahre für Schulbuchverlage gearbeitet. Deren Geschäftsmodelle stünden diametral entgegengesetzt zu den heutigen Anforderungen, meint Kleta-Bohmann. Die Verlage hätten es versäumt, nicht nur Redakteure, sondern zum Beispiel auch Designer und Softwarenentwickler einzustellen. Die digitalen Bildungsexperten befürchten, dass dieses Versäumnis zu einer „Amerikanisierung“ der Bildung führen könnte. Schließlich würden die Lernprogramme heute in den USA gemacht. Die Stärke der US-Unternehmen im Bildungsbereich sehe man zum Beispiel an der Weiterbildungsplattform Udacity. Die Online-Universität, die auf Kurse im technologischen Bereich spezialisiert ist, hat inzwischen rund fünf Millionen Teilnehmer und will auch in Deutschland weiter wachsen.

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Zurück zur Schule in Niedersachsen. Die digitale Bildung ist für die Schüler heute längst Realität, ist Marc Klages überzeugt. Schon heute nutzten die Schüler google und youtube, um zu lernen. Mit dem Computerspiel Minecraft können Schüler lernen, wie ein Atom aufgebaut ist. Die digitale Bildung als Ergänzung zum herkömmlichen Unterricht ist in den meisten Klassenzimmern nicht neu. Und das Lernen wird mit der Digitalisierung nicht immer leichter. „Es wird nicht alles spielerisch passieren. Man muss auch weiterhin fleißig sein und sich auf den Hosenboden setzen“, sagt Klages. Man dürfe im Unterricht aufgrund der Digitalisierung nicht alles über Bord werfen. „Das Gute muss erhalten bleiben.“

Der ehemalige Landtagsvizepräsident Karl-Heinz Klare unterstützt die kleine Gruppe beim Aufbau des neuen Verbands. Klare, vor seiner Zeit im Landtag selbst Lehrer,  verspricht sich von der digitalen Bildung eine Individualisierung des Unterrichts. „Das Ziel ist es, den einzelnen Schüler zu erreichen und Programme zu entwickeln, die die Fähigkeiten des einzelnen Schülers fördern“, meint er. Seine Hoffnung ist, dass sich die Schüler dadurch enorm verbessern könnten. „Wir sind auch Lokalpatrioten“, sagt Klages. „Es ist uns ein Anliegen, dieses Projekt aus Hannover heraus zu starten.“ (MB.)