Von Martin Brüning

Wenn eine Landesregierung über Monate hinweg einen Masterplan mit fast 130 Seiten erarbeitet, geht es am Ende nicht ohne ein wenig Aktionismus-Lyrik und Politikprosa. „Die digitale Gesellschaft zur Sicherung von Wohlstand und Wachstum müssen wir entschlossen gestalten und neue Chancen nutzen“, schreibt Wirtschaftsminister Bernd Althusmann zum Beispiel im Vorwort. Im Kapitel „Verbraucherschutz und Ernährung“ liest man solche Sätze: „In einem Flächenland wie Niedersachsen bedarf es geeigneter Instrumente, um Themen wie Verbraucherschutz und Ernährung mit allen Beteiligten effektiv und effizient zu gestalten.“ Doch es würde dem Dokument, das offiziell erst am Dienstag vorgestellt werden soll, nicht gerecht, es nur auf solche Sätze zu reduzieren. An gleich mehreren Stellen wird die Landesregierung sehr konkret. Unter dem Blickpunkt auf die Landtagswahl 2022 könnte man sogar sagen: gefährlich konkret.

https://soundcloud.com/user-385595761/die-digital-debatte-im-landtag-in-o-tonen

Abseits der üblichen Worthülsen, wie wichtig die Digitalisierung für die Zukunft des Landes ist, werden am Ende der Legislaturperiode manche Fortschritte aufgrund klar formulierter Ziele deutlich messbar sein. Das betrifft zum Beispiel den Ausbau des schnellen Internets. „Verbindlichkeit und Verlässlichkeit im Ausbau“ wünscht sich die Landesregierung und schreibt in den Plan auch selbst verbindliche Zahlen. Bis zum Jahr 2021 sollen zum Beispiel alle Schulen „gigabitfähig versorgt“ sein. Drei Jahre sind allerdings ein kurzes Zeitfenster, wenn man sich den aktuellen Stand der Dinge in den Schulen ansieht, Von den rund 2800 Schulen in Niedersachsen haben gerade einmal 12 Prozent einen so genannten FTTB-Anschluss. Die Abkürzung steht für Fibre-to-the-Building und bedeutet, dass das Glasfaserkabel auch wirklich im Gebäude selbst ankommt. In knapp 40 Prozent der Schulen ist ein solcher Anschluss zumindest geplant. Weitere 40 Prozent haben keinen solchen Anschluss und bei 12 Prozent der Schulen steht die in Zeiten der Digitalisierung denkbar schlechteste Antwort: Keine Angaben. „Unsere Ziele sind ehrgeizig. Einiges werden wir nicht erreichen, vieles aber schon“, schreibt Digital-Staatssekretär Stefan Muhle im Schlusswort und baut damit schon ersten Enttäuschungen vor.


Lesen Sie auch: 

So debattierte der Landtag fast drei Stunden lang über den Masterplan


Der Masterplan ist ein Politikwechsel in Niedersachsen. Das Land, vor allem das zuständige Wirtschaftsministerium, hat sich einer Aufgabe verschrieben, bei der die Vorgängerregierung lieber im Ungefähren blieb. Notfalls konnte man beim Leitungsausbau ja immer noch mit dem Finger auf den Bund zeigen. Damit soll nun Schluss sein. Bis 2021 soll es schnelles Internet an allen Schulen, Hochschulen, Gewerbegebieten und Seehäfen geben, bis 2025 in jedem Haushalt. Im Masterplan macht die Landesregierung dabei deutlich, wen sie dabei zunächst einmal in der Pflicht sieht. „Der Ausbau von Breitband- und Giganetzen ist zuerst eine Aufgabe der Industrie. Wo diese aus wirtschaftlichen Gründen diese Aufgabe nicht bewältigen kann, hilft der Staat“, heißt es. Der öffentlich geförderte Ausbau sei ein komplementärer Ausbau in Gebieten mit einem „vorliegenden und andauernden Marktversagen“.

Verlässliche Roadmap für den Netzausbau

Vielleicht war es Marktversagen, vielleicht auch Staatsversagen: auf jeden Fall war die Aufgabe, das schnelle Internet auch möglichst schnell ins Land zu tragen, bisher offensichtlich zu groß. Einer Karte, die im Masterplan zu finden ist, ist geprägt von weißen Flächen. Weiß bedeutet dabei: weniger als 30 Megabit pro Sekunde. Die vielen weißen Flächen sind dabei für viele Kommunen ein Vorteil. Denn nur wer unter 30 Mbit liegt, kann gefördert werden. Auf der anderen Seite ist die Karte ein Beleg des Mangels im ganzen Land. Hier und da gibt es ein paar grüne Flecken. Cuxhaven ist schon recht weit, im Emsland gibt es mehrere gut versorgte Gebiete, außerdem im Ammerland oder im Kreis Lüneburg.  Es gibt auch Städte, die einfach Glück hatten. Die Versorgung in Delmenhorst liegt bei 99 Prozent. Als die Leitungen für das schnelle Internet endlich verlegt wurden, hat man es gleich großflächig erledigt.

Ziel müsse es sein, alle Kommunen möglichst schnell auf einen vergleichbaren Ausbaustand zu bringen, heißt es nun im Masterplan. Experten, die bisher mit dem Ausbau zu tun hatten, wiegen bei solchen Sätzen bedenklich die Köpfe. Denn die Zahl der Hürden ist groß. Dazu gehören die oben beschriebenen Unterschiede in den Landkreisen, die ihren Grund in manchen Kommunen auch in fehlenden kompetenten Mitarbeitern haben. Schwierigkeiten bereiten aber auch überkomplexe Fördersysteme – auch wenn der Bund jetzt vieles vereinfach hat – und der teilweise schwierige Umgang mit den Telekommunikationsunternehmen.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Soundcloud zu laden.

Inhalt laden

Im Wirtschaftsministerium will man die Förderbedingungen weiter vereinfachen und die Unternehmen stärker an die Kandare nehmen. Aber wird gerade Letzteres gelingen mit den wenigen Mitarbeitern im zuständigen Ministerium? Gerade einmal die Hälfte der wenigen Stellen wurde bisher besetzt. Angesichts dessen fangen selbst wohlmeinende Beobachter erneut damit an, skeptisch den Kopf zu wiegen. Das Wirtschaftsministerium will dennoch Nägeln im Köpfen machen, sozusagen mit einem Plan im Plan: Bis Ende 2018 solle es eine verbindliche und verlässliche Roadmap für den Netzausbau in Niedersachsen geben.

Die Ersten könnten noch die Letzten sein

Der Glasfaserausbau ist derweil kein spezifisches Problem der ländlichen Regionen. So sieht man auf der Karte zwar keine weißen Flecken in Städten wir Hannover oder Braunschweig. Aber auch hier gibt es vielerorts nur vermeintlich schnelles Internet. Im Vergleich zu FTTB gibt es nur FTTC. Diese Abkürzung steht für Fibre-to-the-Curb und bedeutet, dass das Glasfaserkabel nur bis zum Verteilerkasten geht, dann geht es mit einem Kupferkabel weiter ins Haus. Das kann schon in wenigen Jahren zu langsam sein. Dann könnten die Ersten beim schnellen Internet auf einmal die Letzten sein.