Die Fälle sind unterschiedlich, die Entscheidung dürfte jeweils auch nicht einfach sein. Der Staatsgerichtshof in Bückeburg, das höchste – ehrenamtliche – Gericht des Landes, hat über drei Klagen zu beraten. Zwei kommen von der rechtspopulistischen AfD, eine dritte von der rechtsextremen NPD. Zweimal sind sogenannte „Organstreitverfahren“ die Ursache, es geht also um die Rechte und Pflichten eines Verfassungsorgans, hier der Landesregierung und des Ministerpräsidenten. Der dritte Fall ist ein „Normenkontrollverfahren“, nämlich die Frage, ob ein vom Landtag beschlossenes Gesetz mit den Grundsätzen der Landesverfassung und des Grundgesetzes übereinstimmt. Wie Staatsgerichtshof-Präsident Thomas Smollich im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick mitteilte, wünscht er sich mündliche Verhandlungen zu den Klagen, soweit sie vom Gericht für notwendig erachtet werden, bis zum Sommer. Wenn das klappt, könnten die Urteile bis Jahresende fallen.

Die erste Klage besteht eigentlich aus zwei Klagen – daher ist eine mündliche Verhandlung in Bückeburg, die eigentlich nächste Woche Mittwoch sein sollte, noch einmal vertagt worden. Es geht um die Frage, wie konkret die Landesregierung auf Anfragen von Abgeordneten im Landtag antworten muss. 2018 und 2019 hatte sich die AfD-Fraktionsvorsitzende Dana Guth im Parlament nach den Bedingungen für das betäubungslose Töten von Tieren, das sogenannte „Schächten“, erkundigt. Die Landesregierung kann, wenn Betriebe aus religiösen Gründen Tiere ohne Betäubung töten wollen, eine Genehmigung für Ausnahmen vom Tierschutzgesetz erteilen. Nun fragte die AfD im Parlament, wie viele Ausnahmen gebilligt wurden und um welche Betriebe es sich handele. Zwar gab das Agrarministerium eine Auskunft zu der Zahl der Genehmigungen, verweigerte aber mit Hinweis auf den Datenschutz nähere Angaben zu den Betrieben. Die AfD klagt dagegen, da in Artikel 24 der Landesverfassung festgelegt ist, dass die Regierung Anfragen aus dem Parlament „nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig“ beantworten muss. Ausnahmen davon gibt es nur, wenn „die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung beeinträchtigt“ wird, das Wohl des Landes Schaden nehmen könnte „oder schutzwürdige Interessen Dritter“ berührt werden. Es dürfte vor Gericht um die Frage gehen, ob die Bekanntgabe der Betriebe, die das Schächten anwenden, die „schutzwürdigen Interessen“ dieser Betriebe verletzten könnte – etwa dann, wenn die Gefahr von Protesten radikaler Tierschützer die Folge wäre.

Auch ein Antrag zum Polizeigesetz liegt noch vor

Im nächsten Organstreitverfahren, das die rechtsextreme NPD anstrengt, geht es um eine Twitter-Mitteilung von Ministerpräsident Stephan Weil am Tag der gegen die NPD gerichteten Demonstration Ende November. „Es ist für mich… nicht leicht zu verdauen, dass das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die NPD-Demo in Hannover erlaubt hat“, schrieb Weil in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident. Aus Sicht der NPD hat er damit seine Neutralitätspflicht als Amtsträger verletzt. Die Landesregierung dürfte dem entgegenhalten, dass Weil sich in einer besonderen Situation schützend vor die Journalisten gestellt habe, gegen die sich die Ursprungsdemonstration der NPD gerichtet habe.

Beim Staatsgerichtshof liegt außerdem noch ein Antrag vor, das 2019 beschlossene Polizeigesetz mit seinen weitgehenden Befugnissen für Online-Durchsuchungen und einer langen Präventivhaft auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen. Das Problem ist allerdings, dass die AfD allein das nötige Quorum für einen solchen Antrag – 28 Abgeordnete – nicht bieten kann. Zusammen mit Grünen und FDP, die das Polizeigesetz ebenfalls ablehnen, wäre die Mindestzahl erfüllt. Wenn nun FDP und Grüne, die nie gemeinsam mit der AfD agieren wollen, wenigstens einen eigenen gemeinsamen Antrag in ähnlicher Richtung gestellt hätten, wäre es Aufgabe des Staatsgerichtshofs gewesen, beide Vorstöße womöglich als „gemeinsame Willenserklärung der Opposition“ anzusehen und die Erfüllung des Quorums daraus abzuleiten. Eine solche Freiheit hätte das Gericht gehabt, die Chance auf ein Verfahren wäre also gegeben gewesen. „Das wäre wohl eine Option gewesen, doch die Grünen haben sich strikt geweigert, irgendetwas gemeinsam mit der AfD zu tun. Deshalb haben wir nicht weiter darüber nachgedacht“, sagte FDP-Fraktionschef Stefan Birkner gestern dem Rundblick. Dennoch scheint nicht ausgeschlossen, dass der Staatsgerichtshof auch zu diesem Antrag der AfD, trotz Unterschreitung der Klagevoraussetzungen, eine mündliche Verhandlung ansetzt. Die Entscheidung darüber fällt wohl nächste Woche.