Der Harz war in der Krise, ist es teilweise auch noch. Der Kreis Goslar und der Altkreis Osterode leiden massiv unter Überalterung und Bevölkerungsverlust. Die Landschaft ist wunderschön, aber der Tourismus kommt vielerorts nur schwer wieder in Gang. Nur in Bad Harzburg ist es anders, hier blüht die Stadt.

Schon seit vielen Jahrzehnten eilt Bad Harzburg ein besonderer Ruf voraus: Das ist eine Stadt, in der sich gern Beamte nach ihrer Pensionierung niederlassen. Also, so das gängige Vorurteil, kümmert man sich im Rathaus offenbar ganz besonders um die Senioren. „Das stimmt nicht“, sagt Ralf Abrahms, einst Gründungsmitglied der Grünen und jetzt schon seit mehr als 16 Jahren Bürgermeister in der Stadt. „Wir tun als Kommune wenig für die alten Leute“, meint er, „wir konzentrieren uns auf Angebote für Jugendliche“. Denn die Investitionen für altersgerechtes Wohnen, Barrierefreiheit, Pflegedienste und Home-Service-Dienste kämen aus der Privatwirtschaft – und sind hier längst zum guten Geschäftsmodell geworden. Auch Sozialstationen würden privat betrieben. „Der demographische Wandel ist Teil unseres Geschäftsmodells, und das schon seit Kaisers Zeiten“, meint der Bürgermeister.

Der Bürgermeister hat eine „Doppelstrategie“

Und so passt nun vieles gut zusammen: Eine relativ intakte Innenstadt mit kurzen Wegen, Einkaufsmöglichkeiten in Nähe der Wohnhäuser und eine Bausubstanz, die gepflegt wirkt. Reichlich Gaststätten, Gesundheitsdienste und Kliniken, und die gerade für alte Leute wichtige Chance, alles rasch zu Fuß erreichen zu können. Abrahms, der schon seit 1981 im Rat der Stadt sitzt, erwähnt „frühe Weichenstellungen“. Das Gewerbegebiet am westlichen Stadtrand weist Baumärkte und Möbelangebote aus, aber größere Supermärkte gibt es nicht, diese mussten sich auf die Siedlungsschwerpunkte beschränken. Die Mischung macht Bad Harzburg zu einer „mehr und mehr lukrativen Wohnstadt“, lobt der Bürgermeister. Seit 2014 ist der Bevölkerungsrückgang gestoppt und Abrahms spricht von einer „Doppelstrategie“. Einerseits bleibe man dem Ruf als „Altersruhesitz“ treu, andererseits wolle man Angebote für junge Familien schaffen. Und immerhin, die Nachfrage nach Bauplätzen im Gebiet Westerode ist so hoch, dass eine weitere Erschließung vorgezogen wird. Glasfaser bis in jedes Haus und unverbauter Blick auf den Nationalpark kosten noch unter 100 Euro je Quadratmeter. Autobahnauffahrt, Supermarkt, Kindergarten und Grundschule tun ihr Übriges, die Kleinstadt zählt überdies sogar drei Gymnasien. Es gibt auch vor Ort Industriearbeitsplätze in den Bereichen Automobilzulieferung oder Recycling. Diese seien wichtig, da auch florierende Gastronomie- und Hotelbetriebe nur vergleichsweise wenig Gewerbesteuer in die Stadtkasse spülen.

Was aber ist das Geheimnis des Erfolges von Bad Harzburg? Zum einen ist es der Ruf dieses Ortes, auch der Beiname „Bad“ mit einer langen Tradition. Dass auf dem Berg einst Heinrich der IV. 1066 eine Burg bauen ließ, lockte immer wieder Geschichtsbewusste an. Rechtsextreme Gruppierungen versuchten in dieser Stadt 1931, ein Bündnis zu schmieden, die „Harzburger Front“. Später wurde der Ort geprägt durch eine Managerschule, die ein früherer SS-Funktionär gegründet hatte. Das ist Vergangenheit. Abrahms erwähnt, dass man im Rathaus mit einer geschickten Finanzpolitik ohne Blessuren durch die Finanzkrise gekommen sei. 2014 habe man das Image erheblich aufgebessert mit dem „Deutschen Wandertag“, ein Jahr später eröffnete der „Baumwipfelpfad“. Auf einem 1000 Meter langen Wanderweg, der 30 Meter hoch gelegt ist und durch den Wald führt, können die Besucher den Harz erleben. Die Menschen sind direkt in der Natur, ohne sie gleichzeitig erheblich zu stören. Mit 80.000 Besuchern jährlich hatte die Stadt anfangs gerechnet, jetzt spricht man im Rathaus von 830.000. Zwischenzeitlich hat mit dem Siemens-Ettershaus-Ressort ein Vier-Sterne-Hotel eröffnet, eine Adventure-Golfanlage wurde errichtet, ebenso ein Wurzelpfad und ein Wassererlebnispfad. Demnächst solle eine Baumschwebebahn hinzukommen. Im neuen Jahr könnten Spatenstiche für Investitionen von weit mehr als 100 Millionen Euro das alles ergänzen – allen voran für den Neubau des abgebrannten „Harzburger Hofes“ als Grandhotel.

An Bad Harzburg ist gut zu sehen, wie eine intakte Stadt mit einer touristischen Attraktion weiter belebt wird – und das Siechtum, das allenthalben im Harz zu besichtigen ist, nicht weiter zu-, sondern sogar abnimmt. Nicht ohne Stolz verkündet noch: „Übrigens: Das ,Südniedersachsenprogramm‘ hat an unserer Entwicklung ebenso wenig Anteil wie die Vorgänger-Regelung, die ,Zukunftsinitiative Harz‘.“ (kw)