Mehr Schulden statt maroder Infrastruktur. Schluss mit Privatisierungen und der „Amerikanisierung der Arbeitswelt“. Vorstandsgehälter begrenzen. Sachgrundlose Befristungen abschaffen. Je linker die Forderung auf der Bühne der SPD-Regionalkonferenz in Hannover, desto stärker schlägt das Applausmometer aus. Das bekommt auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu spüren. Sätze wie: „Auch mit einer soliden Haushaltspolitik geht so manches“ bekommen allenfalls einen müden Höflichkeitsapplaus.

SPD-Regionalkonferenz mit allen Kandidaten auf der hannöverschen Bühne – Foto: MB.

Die SPD meldet sich mit den meisten Kandidaten auf der Bühne aus der Mitte ab, rückt nach links. Und sie rückt ab von der Großen Koalition. Die eigenen Konzepte werde man niemals in einer Großen Koalition umsetzen können, ruft der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und erntet lauten Beifall der über 800 Parteimitglieder in dem Veranstaltungsraum eines Hotels in Hannover-Döhren. Was sich Niedersachsens SPD-Landeschef Stephan Weil in der ersten Reihe wohl denkt?

Kein Heimvorteil für Pistorius

Aus niedersächsischer Sicht verläuft der Abend überraschend. Innenminister Boris Pistorius bleibt blass, hat keinen sicht- oder hörbaren Heimvorteil, geht in der Menge der Kandidaten unter. In seiner Vorstellung verweist er auf seine Erfahrung als Kommunalpolitiker. „Sozialdemokratische Politik war immer stark, wenn sie dicht am Leben der Menschen war.“ Sein Leben wäre ohne die SPD schlechter verlaufen, berichtet Pistorius.

Petra Köpping und Boris Pistorius auf der Bühne – Foto: MB.

Ohne die Bildungspolitik Willy Brandts hätten er und seine Brüder kein Abitur machen können. Zuletzt kündigt er noch an, dass er im Falle seiner Wahl nicht ins Bundeskabinett eintreten werde. Alle Kraft soll der SPD gelten – das macht auch Staatsminister Michael Roth klar, der ebenfalls seinen Job aufgeben möchte, um sich im Falle des Wahlsiegs ganz auf die Arbeit als Parteivorsitzender zu konzentrieren.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Roth und seine Mitbewerberin Christina Kampmann sind die zweite Überraschung an diesem Abend, Sie legen in Hannover einen überzeugenden Auftritt hin. „Wir gehen fröhlich in diese Welt und schauen nicht in den Rückspiegel“, sagt Roth und sammelt Sympathie-Punkte. Er spricht von einem „Wagnis eines echten Aufbruchs“. Er und Christina Kampmann seien die jüngsten Kandidaten, was vor allem an Kampmann (38) liege. „Wir treten an um zu bleiben, weil wir schon genügend Vorsitzende hatten in dieser Partei. Wir wollen mit Euch älter werden.“

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Roth kann aber auch Attacke. Nachdem Karl Lauterbach gefordert hat, nicht mehr Krankenhäuser und andere Bereichen zu privatisieren, gibt er ihm einen mit. „Karl, Du warst doch selbst im Aufsichtsrat einer privaten Krankenhausgesellschaft.“ Lauterbach darf sich nicht wehren, die Spielregeln lassen es nicht zu.

Die Favoriten-Teams bleiben blass

Als Favoriten werden immer wieder das Team Klara Geyitz/Olaf Scholz sowie das vom Landesverband NRW unterstützte Team aus Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gehandelt. Im mit roter Deckenbeleuchtung eingefärbten Raum ist davon an diesem Abend wenig zu spüren. Scholz versucht zweimal mit seiner Vergangenheit als Arbeitsrechts- und Sozialrechtsanwalt auch bei linken Genossen zu punkten.

Nina Scheer und Karl Lauterbach – Foto: MB.

Aber Aussagen, es gehe um einen stabilen, sicheren Sozialstaat oder die Antwort an einen GroKo-Skeptiker, der Erfolg der SPD hänge nicht von der jeweiligen Regierungskonstellation ab, kommen bei der Mehrheit im Saal eher mäßig an. Besser läuft es für den Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, der mehrmals ankündigt, aus der Großen Koalition aussteigen und die Mitglieder dazu befragen zu wollen. Dann könne man für linke Positionen kämpfen. „Wenn wir glaubwürdig sind, werden wir auch nicht kleiner sein als die Grünen“, so Lauterbach.

Ausgerechnet Stegner sorgt für einen Lacher

Für einen Lacher sorgt an diesem Abend ausgerechnet Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein. „Manche reduzieren mich auf mein heiteres Gemüt, das ist ein bisschen wenig. Wir können dafür sorgen, dass am Ende die ganze Partei wieder etwas zu lachen hat“, sagt Stegner bei seiner Vorstellung.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Wer lacht am Ende, und wird die gesamte SPD wieder etwas zu lachen haben? Positive Kräfte wünscht sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. „Wir standen uns in letzter Zeit zu häufig selbst im Weg. Wenn wir schwungvoll nach vorne gehen, wird das wieder das schönste Amt nach dem Papst werden“, sagt er über den SPD-Vorsitz und erinnert damit indirekt an Franz Müntefering, den es allerdings zweimal nicht besonders lange  im Sessel des SPD-Vorsitzenden hielt.

„Wir wollen nicht nur Parteivorsitzende werden, wir wollen das auch bleiben“, sagt Christina Kampmann im Abschlussstatement. Passt. (MB.)