So richtig freuen kann sich Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) nicht über die neuen Nachrichten von der Staatsanwaltschaft in Braunschweig. Dass die dortige Ermittlungsbehörde dem VW-Konzern ein Bußgeld von einer Milliarde Euro abverlangt, welches nun binnen sechs Wochen an das Land überwiesen werden muss und dort vermutlich auch vollständig verbleibt, weckt in der Politik sofort große Begehrlichkeiten – und das ist knapp zwei Wochen vor der wichtigen Haushaltsklausurtagung der SPD/CDU-geführten Landesregierung alles andere als gut. Mehreinnahmen stören jeden Sparwillen, das weiß Hilbers. Eine Milliarde Euro mehr in der Kasse des Landes? Der Bund der Steuerzahler forderte gestern, das Geld in die Schuldentilgung zu stecken. Ähnliches ist von der FDP zu hören. Der DGB macht sich vor der Haushaltsklausur des Kabinetts am 24. Juni dafür stark, das Weihnachtsgeld für Beamte wieder einzuführen. Die Krankenhausgesellschaft verlangt mehr Investitionen in die Kliniken. Der Richterbund forderte, das von der Justiz „verdiente“ Geld für die Justiz in Form von 250 neuen Richter- und Staatsanwalt-Stellen wieder auszugeben: „Die Justiz finanziert sich selbst!“  Auf derlei Rufe und Forderungen reagierte die Staatskanzlei gestern mit dem Hinweis, die Landesregierung werde über die Verwendung der eine Milliarde Euro bald „einen Vorschlag unterbreiten“.


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Gelingt es Hilbers im Verein mit Weil, die befürchtete neue Ausgabenfreude der Koalition zu bremsen? Gut gebrauchen kann Hilbers die eine Milliarde schon, allerdings zunächst als verschonte Rücklage, denn eine vermutlich recht teure Angelegenheit ist noch nicht spruchreif. Im Raum steht seit Wochen der Hinweis, die mehrheitlich landeseigene Nord/LB habe vor dem Stresstest der EU und zur Aufbesserung ihres Ratings eine Kapitalspritze von drei bis vier Milliarden Euro nötig. Gleichzeitig schwirren Überlegungen durch den politischen Raum, die Nord/LB könne sich für private Kapitalgeber öffnen – was aber nach der derzeitigen Rechtskonstruktion gar nicht so rasch möglich wäre. Allein der Übergang vom öffentlichen Banken-Sicherungsfonds zum privaten Banken-Sicherungsfonds würde mindestens drei Jahre dauern. Da umfangreiche Prüfungen, Vorbereitungen und Gespräche mit der EU-Bankenaufsicht erforderlich sind, richten sich politische Beobachter auf Entscheidungen erst in der zweiten Jahreshälfte ein. Eine Möglichkeit könnte sein, dass das Land Niedersachsen einen größeren Geldbetrag investiert und erst im zweiten Schritt dann private Miteigentümer auftreten. Diese könnten vom Land Zug um Zug Anteile übernehmen. Eine solche verzögerte Privatisierung könnte ein Weg sein, die EU zu besänftigen, die gegen staatliche Investitionen sofort den Verdacht einer verbotenen Beihilfe hegen dürfte – sich bei nur vorübergehenden staatlichen Stützungen aber nachsichtig zeigen könnte. Wenn er für eine solche Aktion eine stille Reserve um eine Milliarde Euro anreichern könnte, wäre das für Hilbers geradezu ideal.

Ministerrunde müsste stärker eingebunden werden

Aber zeigt die Landesregierung in Gänze dafür Verständnis? Bisher hatten Hilbers und Weil das Kabinett stets nur sehr allgemein über den Stand der Nord/LB-Gespräche informiert, vermutlich auch in der Sorge, es könne irgendetwas durchsickern. Wenn Finanzminister und Ministerpräsident jetzt aber meinen sollten, sie bräuchten mehr Geld für die Landesbank, dann setzt das wohl die stärkere Einbindung der Ministerrunde in die Überlegungen voraus. Womöglich beschleunigt also das VW-Bußgeld die Planungen für die Nord/LB. Das alles ist nun schon eine skurrile Situation: Ausgerechnet der große Sündenfall bei einem großen Unternehmen mit Landesbeteiligung, Volkswagen, könnte nun die nötige Hilfsaktion für die andere große Institution mit Landesbeteiligung, die Nord/LB, erst richtig möglich machen. Oder kurz ausgedrückt: Die VW-Dieselkrise kann zum Rettungsanker für die Nord/LB werden.