Eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey, über die heute die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtet, hat in der Landtagssitzung einige Unruhe gestiftet. Die Zahlen geben nämlich zu unterschiedlichen Interpretationen Anlass – und Grund zur Freude hat eigentlich nur eine Partei, die Grünen. Wie die NOZ berichtet, liegen die Grünen nämlich – mit Stand von Mittwochnachmittag – sogar in Führung. Wenn jetzt Landtagswahlen wären, würde die Partei auf 25,1 Prozent kommen, gefolgt von der CDU mit 24,5 Prozent und der SPD mit 23,2 Prozent.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Die AfD (11,5 Prozent) und die FDP (6,9 Prozent) würden noch eine Chance auf Einzug in den Landtag haben, die Linkspartei mit 4,3 Prozent allerdings nicht.

Bei der Landtagswahl vor zwei Jahren hatte die SPD stolze 36,9 erreicht, die CDU war mit 33,6 Prozent auf Rang zwei geblieben – die Grünen rangierten seinerzeit lediglich 8,7 Prozent, die FDP hatte 7,5 Prozent und die AfD 6,2 Prozent.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Einen Haken gibt es bei der aktuellen Umfrage allerdings: Die Civey-Umfragen stehen bei Demoskopen immer wieder in der Kritik und sind deshalb mit leichter Vorsicht zu genießen. Zahlreiche Experten halten sie nicht für repräsentativ, sprechen von „willkürlicher Stichprobe“. „Civey-Umfragen sind aus fachlicher Sicht ein Unterhaltungsformat“, meint Ulrich Kohler, Professor für Methoden der empirischen Sozialforschung an der  Universität Potsdam. In der Tat weichen Civey-Umfrageergebnisse auch immer wieder von Ergebnissen „klassischer“ Institute ab.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Dennoch haben die Umfragen natürlich ihre Wirkung. Bei SPD und CDU können die neuen Zahlen kein Anlass zur Freude sein. Die SPD, die unter Stephan Weil das Image der „Niedersachsenpartei“ anstrebt, würde nur noch auf Rang drei rutschen. Die CDU, die erst vor wenigen Tagen von sich behauptete, die „Niedersachsenpartei“ zu sein, sieht sich einer starken grün-roten Mehrheit gegenüber, denn zusammengerechnet würde es für Grüne und SPD wohl locker zur Regierungsbildung reichen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Anders ausgedrückt: Von der Schwäche der SPD können vor allem die Grünen profitieren, während ein klassisches Bündnis der Vergangenheit, CDU und FDP, zusammen nur Aussicht auf 32 Prozent hätte, also weit von einer eigenen Mehrheit entfernt wäre. CDU, FDP, SPD und Grüne haben Bündnisse mit der AfD strikt ausgeschlossen.

Bundesweiter Höhenflug der Grünen

Diese Umfrage drückt allerdings die Stimmungslage während eines bundesweiten Höhenfluges der Grünen aus. Dabei ausgeklammert ist, dass die nächste Landtagswahl erst in drei Jahren stattfindet, bis dahin also noch eine Menge Zeit bleibt. Auch die stärkere Hinwendung zu starken Spitzenkandidaten, die SPD und CDU in anderen Bundesländern stets geholfen hat (jedenfalls dem jeweiligen Ministerpräsidenten in Sachsen und Brandenburg), wird in der Umfrage nicht berücksichtigt, auch nicht die Kampagnenfähigkeit der jeweiligen Partei. Ministerpräsident Stephan Weil hatte im August angekündigt, 2022 wieder als Spitzenkandidat der SPD antreten zu wollen, Bernd Althusmann hat dies für die CDU vor wenigen Tagen erklärt.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Auch für die Grünen ist der Höhenflug in der Umfrage nicht nur ein Grund zur Freude, denn damit stellen sich neue Fragen an die Partei. Ähnlich wie auf Bundesebene, wo über längst spekuliert wird, ob Robert Habeck oder Annalena Baerbock den Titel „Kanzlerkandidat“ bekommen sollen, stellt sich das Thema auch auf Landesebene entsprechend. Die bei den Grünen gewohnte „Doppelspitze“ im Wahlkampf lenkt von der Frage ab, wer Ministerpräsident werden soll. Das erhöht den Druck auf die Partei, im Landtagswahlkampf womöglich eine einzige Figur als Ministerpräsidentenkandidaten zu benennen.

Wer kann MP-Kandidat der Grünen werden?

Aber wer soll das sein? Die Fraktionsvorsitzende Anja Piel hat Integrationskraft, galt aber nach ihrer Niederlage bei der Bundesvorsitzendenwahl Anfang 2018 lange Zeit als geschwächt. Gleichwohl ist sie in der Landtagsfraktion bisher die unangefochtene Nummer eins, die Diskussionen um die Fraktion scheinen inzwischen weitgehend verstummt.

Der Parlamentarische Geschäftsführer Helge Limburg, ein Jurist, hat sich in den vergangenen Monaten auffällig zurückgehalten. Der frühere Agrarminister Christian Meyer, lange die Leitfigur der Linken innerhalb der Grünen, polarisiert sehr stark, manche halten ihn auch für einen Einzelkämpfer. Allerdings hat er ein klares Profil.

Die Abgeordneten Miriam Staudte und Julia Hamburg drängen sich bisher nicht in die erste Reihe, gelten aber als starke Vertreterinnen ihrer jeweiligen Fachgebiete Agrar- und Innenpolitik. Das gilt auch für den früheren Umweltminister Stefan Wenzel, der sich sehr stark auf die Haushaltspolitik konzentriert. Die Umweltpolitikerin Imke Byl ist ehrgeizig und redegewandt, gilt für viele aber noch als „zu jung“. Die beiden Landesvorsitzenden, Anne Kura aus Osnabrück und der einstige Landtagsabgeordnete Hans-Joachim Janßen aus Varel, halten sich in öffentlichen Darstellungen eher zurück und überlassen der Landtagsfraktion den Vortritt. In dieser Konstellation dürfte es den Grünen sichtlich schwer, eine „Leitfigur“ aufzubauen.