Mit der Suche nach dem am besten geeigneten Standort für ein atomares Endlager haben sich Politik und Zivilgesellschaft eine Mammutaufgabe zugemutet. Bis 2031 soll aus einem wissenschaftlich basierten Verfahren hervorgehen, wo für die nächsten eine Million Jahre unser Atommüll sicher gelagert werden kann. Begleitet wird dieser Prozess von einer umfangreichen Bürgerbeteiligung, wie es sie eigentlich noch nie gegeben hat: Potenziell sind 82 Millionen Bundesbürger zum Mitmachen eingeladen. Auf diese Weise soll das Verfahren immer besser werden und die Akzeptanz so hoch wie möglich. Die größte Herausforderung wird es dabei aber wohl sein, die Lücke zwischen der wissenschaftlichen Fachwelt und den einfachen Bürgern zu überwinden.

Die BGE muss lernen, die Daten besser aufzuarbeiten – für das LBEG und noch viel besser für die Bürger.

Offensichtlich wurde dieses Problem erst kürzlich wieder, als das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) seine Kommentierung zum ersten Bericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) vortrug. Wie sich dabei zeigte, war es selbst für die Experten des Landes kaum möglich, das wissenschaftliche Konvolut zu erfassen und nachzuvollziehen, wie die BGE bislang vorgegangen war. „Die BGE muss lernen, die Daten besser aufzuarbeiten – für das LBEG und noch viel besser für die Bürger“, kritisierte in dem Zusammenhang Monica Müller von der Akademie Loccum, die sowohl im Nationalen Begleitgremium zur Endlagersuche mitwirkt als auch die jüngste Veranstaltung des niedersächsischen Begleitforums moderiert hatte.

Niedersachsen bleibt besonders betroffen

Niedersachsens Umweltministerium sucht derweil seine Rolle im gesamten Suchprozess, der eigentlich über ein Bundesgesetz gesteuert wird. Für die Landespolitik ist dabei keine besondere Funktion vorgesehen. Gleichwohl halten es Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) und die Regierungsfraktionen von SPD und CDU aus nachvollziehbaren Gründen für eine notwendige Maßnahme und eine gute Idee, gerade die niedersächsische Bevölkerung bei diesem Prozess gezielt mitzunehmen. Nicht nur aufgrund der Geschichte des Landes im Zusammenhang mit der atomaren Entsorgung (Gorleben, Asse, Konrad) ist die hiesige Bevölkerung besonders involviert. Auch liegt gut die Hälfte der bislang noch nicht ausgeschlossenen Flächen in Niedersachsen. 80 Prozent der Landesfläche kommen bislang noch potenziell als Standort in Frage, insgesamt 57 Teilgebiete identifizierte die BGE auf niedersächsischem Boden.

Umweltminister Lies stellt deshalb neben dem Begleitforum zur Endlagersuche den betroffenen Kommunen auch Geld zur Verfügung, um eigene lokale Informations- und Diskussionsveranstaltungen durchzuführen oder sich fachliche Unterstützung einzukaufen. Dieses Engagement wird durchweg von allen Beteiligten gelobt. Doch hier könnte sich dennoch ein Problem ergeben. In der jüngsten Anhörung des Umweltausschusses des niedersächsischen Landtags zu Fragen der Begleitung der Endlagersuche wurde mehrfach die Sorge vorgetragen, es könnte an unabhängigen Experten mangeln, die die Arbeit der staatlichen Behörden und Gesellschaften kritisch beäugen.

Wenn es in der Bundesrepublik aber niemanden mehr gibt, der nicht in diesen Institutionen untergebracht ist, kann keiner mehr von außen draufschauen.

Eine dieser kritischen Stimmen war die von Asta von Oppen, Sprecherin vom „Netzwerk Nukleares Gedächtnis“ und zeitweise im Nationalen Begleitgremium aktiv. In der Anhörung des Umweltausschusses stellte sie fest, der Markt für fachkundige Berater sei abgegrast. Alle guten Wissenschaftler seien bereits untergebracht – etwa bei der BGE oder beim LBEG. Es blieben also schlichtweg kaum noch Experten für einen unabhängigen Blick übrig. Dabei sei es ihrer Ansicht nach sehr wichtig, dass es diesen kritischen Blick von außen auf den weiteren Suchprozess gebe. „Wenn es in der Bundesrepublik aber niemanden mehr gibt, der nicht in diesen Institutionen untergebracht ist, kann keiner mehr von außen draufschauen“, klagte sie.

Es braucht mehr als nur Geologen

Ein anderer, der im Ausschuss dieselbe Sorge zum Ausdruck brachte, war Prof. Klaus-Jürgen Röhlig von der TU Clausthal. Röhlig ist Experte für Endlagersysteme und wirkt auch in der sogenannten Entsorgungskommission mit, einem Gremium, welches das Bundesumweltministerium in Angelegenheiten der nuklearen Entsorgung fachlich berät. Dass das Land den Kommunen bei den Kosten für externe Berater zu Hilfe kommt, bezeichnete Röhlig als einen guten Punkt, der aber nicht ausreiche. Ihn treibt eher die Frage um, woher die fachliche Expertise überhaupt kommen soll.

„Ein betroffener Landkreis kann nicht einfach einen Geowissenschaftler bestellen“, sagte er im Umweltausschuss des Landtags. Ein Experte für Gestein allein reiche nicht mehr aus, inzwischen seien mehrere Fachrichtungen gefragt. Doch hier wird ein Mangel im Land offenbar. Die Lösung? Eine größere Kapazität an Sachverständigen gebe es nur durch mehr Forschung, erläuterte der Universitätsprofessor. Dabei betonte er, dass er das nicht sage, um für sich selbst Drittmittel einzutreiben. Schließlich werde er bei der Laufzeit des Suchverfahrens persönlich nichts mehr davon haben. Röhlig warb aber für eine Veränderung in der Forschungs- und in der Förderungslandschaft.

Forschungs-Cluster zur Endlagersuche

Was sollte sich da ändern? Der Professor aus Clausthal regte an, in Niedersachsen gezielt eine akademische Endlagerforschung aufzubauen. Er begründete dies ähnlich wie Umweltminister Lies sein Begleitforum: Niedersachsen ist schon seit langem von der Endlagersuche betroffen und wird noch sehr lange von der Endlagersuche betroffen sein. Die Niedersachsen seien besonders sensibilisiert und würden künftig im weiteren Verfahren dringend Experten benötigen, die zu einer konstruktiv-kritischen Begleitung der Standortsuche in der Lage sein werden.

Röhlig skizzierte im Umweltausschuss, dass Forschungsverbünde aufgebaut werden sollten, die aus gut einem Dutzend Lehrstühlen bestehen müssten. Im Gegensatz zu den bisherigen Verbünden sollte beim neuen Ansatz eine gute Durchmischung aus technischen und nicht-technischen Forschungsabteilungen zustande kommen. Gerade diese Schnittstelle aus beispielsweise Geologen und Physikern auf der einen Seite und Politik- oder anderen Sozialwissenschaftlern auf der anderen Seite sei in Niedersachsen bislang aber offenbar nicht gut ausgeprägt.

Lies: Experten sind wir

Niedersachsens Umweltminister Lies beschrieb jedoch kürzlich einen anderen Weg, wie die Kommunikation zwischen Endlager-Behörde und Zivilgesellschaft organisiert werden sollte. Am Ende der jüngsten Veranstaltung des niedersächsischen Begleitforums reagierte er auf den Vorschlag, man sollte moderne, populärwissenschaftliche Kommunikatoren einsetzen. Dabei führte Lies aus, dass er eher die Politik in dieser Mittlerrolle sehe. Schließlich müssten die Abgeordneten und auch er als Minister die Materie als Fachfremde auch durchdringen. Außerdem bestünde sonst schnell die Gefahr, dass wichtige Aspekte verkürzt dargestellt würden. Er persönliche ließe die Experten des LBEG erst gehen, wenn er die Sachverhalte auch verstanden habe, sagte Lies. Doch wenn sich selbst die LBEG-Mitarbeiter inzwischen schwertun damit, das Vorgehen der BGE zu verstehen?

Von Niklas Kleinwächter