Das niedersächsische Umweltministerium hat erneut den Abschuss eines Wolfes aus einem auffällig gewordenen Rudel bekanntgegeben. Bereits am vergangenen Sonnabend hat das Ministerium Meldung darüber erhalten, dass in der Nacht zum besagten Sonnabend ein weibliches Tier des Rudels Amt Neuhaus (Landkreis Lüneburg) getötet wurde. Der Schütze, dessen Identität zum eigenen Schutz geheim bleiben soll, handelte dabei im Rahmen einer geltenden Ausnahmegenehmigung, wie das Ministerium mitteilte.

Wolf | Foto: GettyImages / GarysFRP

Diese Ausnahme hatte der niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) Ende November 2021 erteilt, da es bereits seit 2017 vermehrt zu Wolfsangriffen auf Schafherden gekommen sei. Im Jahr 2020 sei ein Schaden in Höhe von 2785 Euro entstanden, rund 3000 Euro Schadensausgleich werden derzeit noch bearbeitet. Dabei sei der sogenannte zumutbare Herdenschutz wiederholt überwunden worden, was eine Entnahme der Problemtiere rechtfertigen kann. Zu diesen Schutzmaßnahmen zählten nach Auskunft des Umweltministeriums etwa Herdenschutztiere oder die sogenannte olfaktorische Vergrämung, also die Abschreckung der Wölfe durch übelriechende Substanzen.

Ministerium: Abschuss von der geltenden Rechtslage „vollumfänglich gedeckt“

Die Tötung der Tiere sollte dazu beitragen, dass diese in der Kulturlandschaft untypischen Jagdtechniken nicht an die nächste Generation von Wölfen weitervergeben werden können, begründete das Ministerium in einer Stellungnahme. Allerdings handelte es sich bei dem geschossenen Tier aller Voraussicht nach nicht um eines der offiziell gesuchten Elterntiere des Rudels. Die Fähe trägt die Kennung GW872f, der Rüde GW1532m, beide sollen um die sieben Jahre alt sein. Das getötete Tier sei aber nach erster Inaugenscheinnahme nicht älter als zwei Jahre.

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Die Ausnahmegenehmigung sei derzeit ausgesetzt, könne aber wieder ausgesprochen werden, wenn die genetische Überprüfung bestätigt, dass ein falsches Tier erwischt worden ist. Es sei jedoch darauf geachtet worden, dass das weibliche Jungtier weder trächtig war noch Welpen hatte. Das Umweltministerium erklärt, der Abschuss sei von der geltenden Rechtslage „vollumfänglich gedeckt“.

Grüne fordern Moratorium für Wolfsabschüsse

Die Grünen im niedersächsischen Landtag rügen den Vorgang jedoch und sprechen von einem Fehlabschuss, da schließlich nicht die beiden gesuchten Tiere entnommen worden sind. „Die tote Wölfin in Amt Neuhaus ist der fünfte Fehlabschuss in Folge. Wir fordern ein sofortiges Moratorium für die irrlichternde Wolfsjagd von Umweltminister Lies“, erklärte Christian Meyer, Fraktions-Vize und naturschutzpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen. Meyer bewertet das Vorgehen des Umweltministeriums als „rechtlich höchst zweifelhaft und trotzdem völlig wirkungslos“.

Am niedersächsischen Staatsgerichtshof ist derzeit ein Verfahren anhängig, weil die Grünen sich an der allgemeinen Praxis des Ministeriums stoßen, die Ausnahmegenehmigungen nicht mehr vorab zu veröffentlichen. Zwar hat Umweltminister Olaf Lies (SPD) bereits in Sitzungen des Umweltausschusses des Landtags über Ausnahmegenehmigungen unterrichtet – allerdings nur im vertraulichen Teil. Die Grünen fühlen sich deshalb in ihren Auskunfts- und Kontrollrechten eingeschränkt. Sie wollen die Informationen über mögliche Abschüsse auch verwenden dürfen.


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„Durch die Geheimhaltung der Abschussgenehmigungen von Minister Lies konnte auch keine gerichtliche Überprüfung im Vorfeld erfolgen, ob die Voraussetzungen für einen legalen Wolfsabschuss gegeben waren“, erklärte Meyer gestern. Seine Fraktion appelliere deshalb an die Landesregierung, diesen Rechtsweg wieder zuzulassen, damit Umweltverbände gerichtlich vor den Abschüssen die Genehmigungen im Zweifel überprüfen lassen können. Erneut wurden unter Geheimhaltung von Umweltminister Lies zwei Wölfe zum Abschuss freigegeben. „Dabei hatten wir erst vor wenigen Wochen genau nach diesen laufenden Abschussgenehmigungen gefragt.“

Nabu hat im Dezember Klage eingereicht

Im Dezember hat zudem der niedersächsische Naturschutzbund (Nabu) offiziell Klage gegen die niedersächsische Wolfsverordnung eingereicht. Der Verband bewertet die Wolfspolitik der Großen Koalition als „weitestgehend gescheitert“, da Abschüsse nur dann zu einem Rückgang der Nutztierrisse führten, wenn der Wolf wieder ausgerottet würde. Die Naturschützer setzen deshalb auf einen verbesserten Herdenschutz.

Sie kritisieren zudem, dass die Verordnung Ausnahmegenehmigungen schon dann vorsieht, wenn sich Wölfe von Menschen genutzten Strukturen nähern, also auch unbewohnten Scheunen in der freien Landschaft. „Das ist völlig absurd, da Wölfe sich frei in der Landschaft bewegen und den Menschen zwar grundsätzlich meiden, aber seine Gebäude nicht“, begründete Nabu-Landeschef Holger Buschmann die Kritik. Zudem sieht der Nabu eine Kompetenzüberschreitung, wenn Niedersachsens künftig selber über den sogenannten günstigen Erhaltungszustand der Wolfspopulation entscheiden möchte. Dies stehe rechtlich der EU zu und sei fachlich nicht möglich, da die Populationen nicht an der Landesgrenze Halt machten.