Der niedersächsischen SPD ist das unheimlich wichtig, und für ihren Landesvorsitzenden, den Ur-Hannoveraner Stephan Weil, gilt das besonders: Wenn im Jahr 2026 ein neuer hannoverscher Oberbürgermeister vom Volk gekürt wird, das dürfte parallel zur Kommunalwahl im Herbst sein, dann muss die SPD wieder gewinnen.

Nicht nur der nackte Bogenschütze am Trammplatz hat das hannoversche Rathaus im Visier – auch die SPD zielt den Wiedereinzug an. | Foto: Link

Die Schmach von 2019, als der Grünen-Politiker Belit Onay zum Nachfolger des abgelösten OB Stefan Schostok (SPD) gewählt wurde, soll wieder ausgebügelt werden. Der SPD-Kandidat Marc Hansmann hatte es damals nicht einmal in die Stichwahl geschafft. Die Frage ist nur: Wer soll für die SPD antreten und die Herzkammer der Niedersachsen-SPD zurückerobern – und wie soll diese Person möglichst jetzt schon Profil gewinnen und bekannt werden?

Gegen Onay, das wissen viele in der SPD, dürfte ein Wahlkampf schwer werden. Denn so umstritten viele Vorhaben in ihrer Umsetzung auch sind – von der Zurückdrängung des Autoverkehrs über die Gestaltung der Innenstadt bis zum Umgang mit Kriminalität – der OB von den Grünen gilt gemeinhin als „Menschenfänger“. Sein sympathisches Auftreten und die Gabe, auf Menschen zuzugehen, könnten ihm in Hannover hohe Popularität bescheren. Ein Problem könnte aber die Partei im Hintergrund sein: Einige Neumitglieder der vergangenen Jahre, als die Grünen viel Wachstum zu vermelden hatten, zeigen sich mit den Mühen der Realpolitik unzufrieden. Noch sieht man zu wenige Erfolge der Verkehrswende in der Stadt. Die Ratsfraktion gilt als gespalten.

Mit 52,9 Prozent besiegte Belit Onay in der Stichwahl 2019 seinen Gegenkandidaten von der CDU. Seitdem regiert er als erster Grüner über Hannover. | Foto: LHH

Zudem hat die Kommunalpartei nach der erfolgreichen Landtagswahl wichtige Parteistrategen in Regierungskreise verloren, etwa den jetzigen Büroleiter des Finanzministers, Mathis Weselmann. Diese Ausgangssituation greifen vor allem die Sozialdemokraten interessiert auf, denn sie haben nach wie vor eine starke und schlagkräftige Parteiorganisation, interne Konflikte dringen kaum nach außen. Der junge Unterbezirkschef und Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetovic wird zwar nicht überall geliebt, aber in seiner gegenwärtigen Rolle respektiert.

Für die hannoversche CDU scheint die OB-Wahl noch sehr, sehr weit entfernt – mangels Erfolgschancen in der Vergangenheit spürt die Partei hier aktuell wenig Druck. So recht mag sich dort niemand als Leitfigur aus der Deckung wagen, aufdrängen tut sich niemand. Die SPD scheint strategisch schon weiter zu sein. Die Partei sucht einen Kreis an Personen, die populär, verwaltungserfahren und ehrgeizig genug sind, dem Amtsinhaber Onay bei der OB-Wahl die Stirn bieten zu können.



Spannend ist die Ausgangslage auch deshalb, weil sich die Bewerbersuche mit einem anderen Thema überschneidet – der Neuaufstellung der Landes-SPD. Spätestens bei der Landtagswahl 2027 wird Ministerpräsident Stephan Weil sein Amt abgeben, in jenem Jahr wird er 69 Jahre alt. Spekuliert wird, dass er schon ein oder zwei Jahre vorher, also im Herbst 2026 oder im Herbst 2025, sein Ministerpräsidentenamt an einen Nachfolger abgeben wird. Das könnte Olaf Lies sein, muss es aber nicht. Teil einer personellen Neuaufstellung könnte dann auch die Frage sein, wer für das wichtige Amt des Verwaltungschefs der Landeshauptstadt antreten soll.

Man könnte auch dem Gedanken näher treten, dass eine der bisherigen Landesministerinnen in Betracht kommt – zumal sich eine SPD-Frau aus der hannoverschen Kommunalpolitik nicht aufdrängt. Starke Kräfte in der SPD Hannover wollen aber eine Frau, auch deshalb, weil eine Bewerberin im rot-grünen Wählerklientel am besten punkten könnte. Es müsste aber eine starke Kandidatin sein. Die künftige Kultur- und Bildungsdezernentin Eva Bender hat zwar ein schlagfertiges Auftreten, aber noch kein starkes Profil. Für Städtetag-Geschäftsführerin Kirsten Hendricks käme eine Kandidatur ebenfalls zu früh.

Wer aber könnte für die SPD 2026 in den OB-Wahlkampf ziehen? Hier eine Übersicht:

Eine Landesministerin für das Rathaus:

Innenministerin Daniela Behrens ist machtbewusst und will gestalten – ein kommunales Spitzenamt (bald vermutlich mit der komfortablen Amtszeit von 7,5 Jahren) wäre wie geschaffen für sie, da es sehr viel mehr Freiheiten gestattet als ein Ministeramt, das der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten untergeordnet ist. Allerdings ist sie keine Hannoveranerin.

Daniela Behrens | Foto: MI

Justizministerin Kathrin Wahlmann ist in Osnabrück zuhause. Gleichzeitig agiert sie in ihrem Ressort geschickt und vertritt Positionen, die auch konservative Wähler teilen. Das Justizressort allerdings bleibt immer eher ein B-Ressort, das allein kaum Basis für eine weitere politische Karriere sein kann. Das OB-Amt in Hannover könnte somit durchaus einen Reiz für Wahlmann darstellen.

Kathrin Wahlmann | Foto: MJ

Eine der Ministerinnen kommt garantiert nicht in Betracht für eine OB-Kandidatur, nämlich Regional- und Europaministerin Wiebke Osigus. Sie kommt zwar, anders als Behrens und Wahlmann, aus der Region Hannover. Doch Osigus ist im Ministeramt bisher, auch nach fast einem Jahr, noch nicht wirklich angekommen. Von ihr gehen kaum inhaltliche Impulse aus. Sie hat zunächst genug damit zu tun, als Ministerin überhaupt ihre Rolle zu finden.

Wiebke Osigus | Foto: MB/Ole Spata

Der erste Stadtrat als OB-Kandidat

Finanz- und Ordnungsdezernent Axel von der Ohe ist klug, erfahren, zupackend und weicht keinen Konflikten aus. Er genießt einen guten Ruf, steht schon von Amts wegen für Sicherheit und Ordnung – zwei Themen, die von der SPD im Wahlkampf gegen Onay und die Grünen profiliert werden könnten. In der Mitte kann er Stimmen gewinnen. Sein Problem ist, dass viele Linke in der hannoverschen SPD ihm skeptisch gegenübertreten könnten, denn er ist keine Frau und vielleicht zu konservativ. Bei Behrens oder Wahlmann wären solche Abwehrreaktionen weniger wahrscheinlich.

Axel von der Ohe | Foto: LHH

Gegen von der Ohe kann zudem eingewandt werden, dass er als Finanzdezernent das Gesicht einer Politik von Kürzungen und Sparappellen ist – und das könnte bei der nächsten OB-Wahl nicht förderlich sein. Die Zeiten von Stephan Weil, der 2006 aus der Position des Stadtkämmerers heraus neuer OB wurde, sind vorüber. Heute gilt maßvolle Haushaltskonsolidierung, für die Weil damals stand, bei vielen nicht mehr als Tugend. Aber immerhin: Mit von der Ohe muss man rechnen.

Der Regionspräsident als Onay-Herausforderer

Regionspräsident Steffen Krach gehört zur Gruppe der jüngeren, mit vielen Hoffnungen begleiteten SPD-Politiker in Hannover. Schon 2021 hat er vor der Wahl des Regionspräsidenten bewiesen, dass er Wahlkampf gestalten kann. Sein Nachteil ist jedoch, dass er ein Amt bekleidet, das dem des OB mindestens gleichwertig ist.

Steffen Krach | Foto: Anne Hufnagl

Krach müsste begründen, warum er die Leitung der Kreisebene verlassen will, um die Verwaltung einer kreisangehörigen Mitgliedsgemeinde übernehmen zu wollen. Da diese Argumentation äußerst schwerfällt, ist Krachs Bewerbung unwahrscheinlich. Das gilt umso mehr, als die OB- und die Regionspräsidentenwahl diesmal gleichzeitig stattfinden.

Import einer Oberbürgermeisterin

Wenn es das Ziel der SPD sein sollte, Onay im Wahlkampf mangelnde Verwaltungskenntnis und Entscheidungsschwäche vorzuwerfen, dann könnte sie kontern mit einer Kandidatin, die schon Erfolge in der Führung einer Großstadtverwaltung vorzuweisen hat. Das könnte etwa die Oberbürgermeisterin von Göttingen, Petra Broistedt, sein – denkbar wäre aber auch ein Import aus einem anderen Bundesland.

Petra Broistedt | Foto: Stadt Göttingen/Mischke

Die Gefahr eines solchen Schrittes ist immer, dass jemand präsentiert würde, der in Hannover fremd ist. Bei den Landesministerinnen, die für eine OB-Kandidatur in Betracht kommen, ist das anders – denn sie hätten ja im Fall einer Bewerbung schon mehrere Jahre hintereinander Berufserfahrung in Hannover mit der Führung einer größeren Verwaltung.

Ein Eigengewächs aus der Ratsfraktion

Der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Lars Kelich, neigt zuweilen zu zugespitzten und sehr deutlichen Positionen. Nicht allen in der SPD gefällt das, und es dürfte Überlegungen geben, an seiner Stelle lieber eine – etwas geschmeidiger auftretende – Frau an die Spitze der Ratsfraktion zu setzen. Einige denken an die Juristin Belgin Zaman, die als Referatsleiterin im Sozialministerium arbeitet und ehrenamtliche Bezirksbürgermeisterin von Buchholz-Kleefeld ist. Ob sie so als nächste OB-Kandidatin aufgebaut wird? Dagegen spräche, dass sie dann noch einen sehr langen Weg vor sich hätte, um in der Stadt bekannt zu werden. Die Ehre käme für sie somit vielleicht zu früh – und unumstritten ist auch sie bisher in der hannoverschen SPD nicht gewesen.