In Niedersachsen hat sich herumgesprochen, dass die Landesregierung von August an die Elternbeiträge für die Kindergärten komplett abschaffen will. „Schon melden sich viele, die jetzt eine längere Betreuung für ihren Sohn oder ihre Tochter haben möchten“, berichtet Bernhard Reuter (SPD), der Göttinger Landrat. Als Vorsitzender des Landkreistages verhandelt er gegenwärtig mit dem Kultusminister, dem Finanzminister und der Staatskanzlei, wie das Geschenk des Landes an die Eltern bezahlbar bleibt. Denn es sind die Kommunen, in denen die Personal- und Sachkosten für die Kindertagesstätten anfallen. Und es sind die Kommunen, in deren Kassen dann von August an die Einnahmen aus Elternbeiträgen fehlen werden.

Der Städte- und Gemeindebund hatte deshalb schon früh einen Vorschlag unterbreitet, wie man die landespolitische Wohltat gerecht so verteilt, dass keine Kommune unter ihr zu leiden hat. Die Eltern hätten weiter ihre Gebühr an ihre Gemeinde entrichtet, sich das Geld aber dann beispielsweise von der Landesschulbehörde erstatten lassen. Aber schon unter den Kommunalverbänden erregte diese Idee, die einen bürokratischen Aufwand nicht nur für Eltern bedeutet, Widerspruch gefunden. In der jüngsten Verhandlungsrunde zwischen den Spitzen der Kommunalverbände und Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hatte der Vorschlag am vergangenen Freitag auch keine Chance. Allerdings war auch das ursprüngliche Modell des Ministeriums rasch Makulatur. Dieses sah so aus: Wenn man die jährlichen Einnahmen aus Elterngebühren zugrunde legt, daraus einen Beitrag pro Kind und Monat ableitet und diesen mit der Zahl der anspruchsberechtigten Kinder multipliziert, kommt man auf jährliche Ausgaben von rund 230 Millionen Euro. Das heiße für das Land, je Kind und Monat entweder 126 Euro an die Kommune zu zahlen (bis zu sieben Stunden Betreuung) oder 167 Euro (mehr als sieben Stunden).

Das allerdings bedeutet: Kommunen mit traditionell niedrigen Beiträgen (vor allem im Westen Niedersachsens) gewinnen mit der Erstattung, ebenso solche in größeren Städten, in denen viele Familien aus sozialen Gründen von der Beitragspflicht entbunden sind. Salzgitter als Großstadt wirbt damit, seit Jahren schon kein Geld von den Eltern zu verlangen – auch diese Stadt wäre ein klarer Gewinner. Auf der anderen Seite stehen viele kreisangehörige Gemeinden im Süden und Osten Niedersachsens, die dem Sparzwang und staatlichen Auflagen folgend besonders viel von den Eltern kassiert hatten. Im Kreis Uelzen, so eine grobe Schätzung, würde das Ursprungsmodell des Kultusministeriums jährliche Einnahmeausfälle von knapp 900.000 Euro verursachen. Vor der Verhandlungsrunde vergangenen Freitag war deshalb schon von „vielen wütenden Betroffenen“ und auch klagewilligen Kommunen die Rede.

Womöglich hat dies das Land rasch zum Einlenken veranlasst. Denn zwischen Ministerien und Kommunen wurde über eine Erhöhung des angebotenen Pauschalbetrages gar nicht mehr geredet. Man kam rasch dazu, einen „Systemwechsel“ anzupeilen. Das heißt: Bisher trägt das Land 20 Prozent an den Personalkosten der Kindergärten (gemessen am Mindeststandard mit zwei Betreuern je Gruppe). Vor 20 Jahren wurde mal versprochen, den Satz auf 25 Prozent zu erhöhen – bisher ist das aber nicht umgesetzt. Nun schlägt der Kultusminister vor, die bisher angebotenen 230 Millionen Euro auf den gegenwärtigen Betrag der 20 Prozent zu packen – das würde einem Zuschuss von 52 Prozent entsprechen, einem Betrag von 570 Millionen Euro jährlich. Wenn das Land nun festlegen würde, 52 Prozent der Personalkosten der Kindergärten zu tragen, wäre das ein riesiges Entgegenkommen an die Städte und Gemeinden. Denn: Bei jeder Personalkostensteigerung würde das Land automatisch einen Anteil übernehmen müssen. Der „Systemwechsel“ stößt daher bei den Kommunalvertretern an sich auf Sympathie. Nun müsse gerechnet werden, sagt Landkreistag-Präsident Reuter, ob es bei 52 Prozent „wirklich keine Verlierer“ gibt. Das soll bis diese Woche Freitag geschehen – dann wird noch einmal verhandelt. Dem Vernehmen nach sind es mindestens 100 Gemeinden, die bei einem 52-Prozent-Zuschuss doch finanzielle Verluste gegenüber dem bisherigen Modell mit Elternbeiträgen haben. Alles wären potenzielle Kläger vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg.

Die Kommunen hätten es am liebsten, wenn statt 52 Prozent ein höherer Wert vereinbart wird, vielleicht 55 Prozent. Dieser könne auch von Jahr zu Jahr steigen, denn erinnert wird an ein altes Versprechen, das Land solle zwei Drittel der Kindergarten-Betriebskosten übernehmen, also 66 Prozent. Gegenüber 52 Prozent würden 66 Prozent aber 140 Millionen Euro jährlich Mehrkosten für das Land bedeuten. Aber: Da auch die sich abzeichnende Große Koalition in Berlin den Ländern bei den Kindergartengebühren helfen will, so die Ankündigung nach Abschluss der Sondierungen, könnte der Landesregierung für eine solche Wohltat auch finanzielle Unterstützung aus Berlin winken.

Noch etwas erhöht den Druck auf das Land: Die Kommunen beklagen sich, dass die Betreuungskosten sowieso steigen. Zum einen, weil Kindergärten immer begehrter werden. Zum zweiten, weil die dritte Kraft in Kindergartengruppen, die 300 Millionen Euro jährlich koste, bislang nur zu 20 Prozent mit Landesgeld gedeckt sei. Zum dritten, weil die Ausbildung der Erzieherinnen auf Dauer mehr Geld verschlingen werde. Und zum vierten, weil sich die Investitionen bisher auf die Krippen konzentriert hatten und für die Kindergärten vielerorts nicht genügend Geld geflossen ist. Ein weites Feld also – und gegenwärtig viel Bewegung dort. (kw)