Vor zwölf Jahren änderte die niedersächsische Landesregierung das Schulgesetz an einer kleinen, aber entscheidenden Stelle. Die zahnärztliche Untersuchung war nicht mehr verpflichtend, nötig wurde eine schriftliche Einwilligungserklärung der Eltern. Mit der Datenschutzgrundverordnung wurde die Erklärung so kompliziert, dass die Eltern laut Landesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Jugendzahnpflege in Niedersachsen (LAGJ) gar keine Erklärungen mehr abgeben.

Es sei wichtig, gerade sozial benachteiligte Menschen zu unterstützen, damit sie gesund blieben, heißt es bei den Ersatzkassen – Foto: zelensky200

„Wir verzeichnen seitdem überall, jedoch insbesondere in Brennpunktschulen stetig sinkende Teilnehmerzahlen bei den zahnärztlichen Untersuchungen“, schreibt die Landesarbeitsgemeinschaft in einem Brief an Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne, der dem Politikjournal Rundblick vorliegt. „Eine steigende Anzahl von Kindern mit behandlungsbedürftigen Befunden (in der Regel Karies) wird somit nicht mehr erfasst und kann auch nicht mehr einer adäquaten zahnmedizinischen Behandlung zugeführt werden“, heißt es weiter. Die LAGJ kritisiert, dass die Chancenungleichheit damit nicht abgebaut werde, weil vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien und Familien mit Migrationshintergrund und einer Sprachbarriere die Einwilligung nicht abgeben.

Am Geld scheitert es nicht…

Am Geld scheitert es zumindest nicht. Die Kosten für die Untersuchung teilen sich Kommunen und Krankenkassen, die beide selbst die Verpflichtung für alle Kinder fordern. Es sei wichtig, gerade sozial benachteiligte Menschen zu unterstützen, damit sie gesund blieben, sagt Jörg Niemann, Leiter des Verbands der Ersatzkassen in Niedersachsen, im Rundblick-Gespräch. Der Gesetzgeber verlange deshalb nicht zuletzt von den Krankenkassen besondere Anstrengungen. „Umso unverständlicher ist es, dass ausgerechnet ein Schulministerium untätig bleibt, obwohl es hier mit wenig Aufwand einen wichtigen Beitrag leisten könnte. Und das umso mehr, als es nur Gewinner gäbe: Die Schulen würden von Bürokratie entlastet, die Schüler durch bessere Zahngesundheit profieren“, so Niemann.

…und am Kultusministerium soll es auch nicht scheitern

Im Kultusministerium heißt es , man könne das Anliegen gut nachvollziehen, schließlich seien Gesundheitsvorsorge und -prävention wichtige Themen. „Es wäre zielführend, mögliche Umsetzungsmöglichkeiten sachlich, fachlich und politisch auf einer angemessenen Zeitschiene zu erörtern und die Bildungs- und Gesundheitspolitiker der Koalition eng in diesen Prozess einzubinden“, sagt ein Ministeriumssprecher auf Rundblick-Nachfrage. In der Koalition besteht allerdings schon seit längerem Einigkeit in dieser Frage. Bereits in einem Antrag, der inzwischen ziemlich genau ein Jahr alt ist, fordern SPD und CDU die Landesregierung auf, „die verpflichtende Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an angebotenen Präventionsmaßnahmen in den Schulen wiedereinzuführen“.

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Auch die CDU-Bildungspolitikerin Mareike Wulf meint im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick: „Der Zahnarzt sollte in die Schule kommen und das sollte für alle Kinder verpflichtend sein.“ Dadurch könnten Schäden frühzeitig erkannt werden und alle Kinder erhielten Hinweise zur Prävention. „Leider ist der Zahnarztbesuch gerade für Grundschulkinder nicht mehr in allen Familien üblich“, bedauert Wulf.

Geht es nach der LAGJ, sollte die verpflichtende  Vorsorgeuntersuchung umgehend wieder eingeführt werden. Im Kultusministerium ist man sich allerdings nicht sicher, dass es ganz so schnell gehen wird. Ob eine Umsetzung in der jetzt bereits laufenden Novelle des Schulgesetzes möglich ist, bedarf der Klärung, da hier hoher Zeitdruck vorliegt, heißt es. Grundsätzlich auszuschließen sei es aus Sicht des Ministeriums aber zumindest nicht.