Prof. Stefan Homburg, der Direktor des Instituts für öffentliche Finanzen an der Leibniz-Universität in Hannover, betrachtet die politischen Reaktionen auf die Corona-Krise überaus kritisch. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick beleuchtet er die gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen der jetzt gestarteten Programme.

Prof. Stefan Homburg – Foto: Uni Hannover

Rundblick: Der Bund und das Land Niedersachsen legen Milliarden-Programme auf, um die von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen zu schützen. Haben Sie dafür Verständnis? Ist das im Prinzip richtig?

Prof. Homburg: Angesichts der beispiellosen staatlichen Eingriffe, die das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt haben, sind die Milliardenprogramme im Prinzip richtig, um Masseninsolvenzen und Massenarbeitslosigkeit abzumildern. Es fragt sich aber, ob der Staat mit den Verboten nicht überreagiert. In Schweden und anderen Ländern sind Geschäfte und Schulen weiterhin offen. Die Sterblichkeit hat sich weder dort noch in Deutschland erhöht. Der europäische „Mortalitäts-Monitor“, an den wöchentlich alle Sterbefälle gemeldet werden, zeigt sogar momentan eine Untersterblichkeit an. Auch der befürchtete Ansturm auf die Krankenhäuser ist ausgeblieben. Es fehlen somit belastbare Daten, die die Schwere der Eingriffe rechtfertigen.

Es werden auch jene profitieren, die keine Hilfe benötigen oder die schon zuvor an der Grenze zur Insolvenz standen.

Rundblick: Finden Sie die Bedingungen der Förderungen und Kredithilfen richtig und angemessen? Oder hätten sie schärfer gefasst werden müssen?

Prof. Homburg: Allein die Schreibfehler in den Gesetzesvorlagen zeigen, dass hier notgedrungen mit heißer Nadel gestrickt wurde. Erste unbeabsichtigte Wirkungen, wie die Mietkürzungen durch Adidas, sind schon jetzt offensichtlich, viele weitere werden hinzukommen. Insgesamt meine ich, dass die Hilfen zu wenig auf Subsidiarität setzen. Es werden auch jene profitieren, die keine Hilfe benötigen oder die schon zuvor an der Grenze zur Insolvenz standen. Im Nachhinein müssen wir alle dafür aufkommen.

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Rundblick: Die Krise trifft auf eine lange Phase extrem niedriger Zinsen im Euro-Bereich. Auf einmal sind nun massive staatliche Hilfen in mehreren EU-Ländern nötig. Was bedeutet das für die Zukunft der EU, zumal der Europäische Stabilitätspakt außer Kraft gesetzt wurde?

Prof. Homburg: Wirtschaftlich wird es mit den Zinsen vermutlich aufwärts gehen, wenn alle Staaten gleichzeitig die Kapitalmärkte beanspruchen. Allein die Zuschüsse, Kredite und Garantien des Bundes haben einen Umfang von über einer Billion Euro. Hinzu kommen Stabilisierungsprogramme der Länder, der Gemeinden und der EU. Auf der Kapitalangebotsseite fallen Ölförderer und Russland vermutlich wegen des geringen Ölpreises weg. Da bleibt nur noch die Europäische Zentralbank, die jetzt in noch größerem Umfang Staatsanleihen kauft. Soweit ihre Frage auf den politischen Aspekt abzielt, hat sich gezeigt, dass die EU-Mitglieder im Ernstfall lieber auf nationale Lösungen setzen. Dies verstärkt die Fliehkräfte.

Dies ist zweifellos das größte Umverteilungsprogramm, das es je in Friedenszeiten gegeben hat.

Rundblick: Haben Sie Sorge, dass es im Zuge der enormen bevorstehenden staatlichen Einflussnahme auf die Wirtschaft zu einer Umverteilung kommt? Wenn ja: Wem wird etwas genommen, wem wird – womöglich zu Unrecht – etwas gegeben?

Prof. Homburg: Dies ist zweifellos das größte Umverteilungsprogramm, das es je in Friedenszeiten gegeben hat. Profitieren werden Glückritter und Subventionsjäger, die in den grob gestrickten Gesetzen Lücken suchen. Profitieren werden auch Branchen wie Lieferdienste oder Medizingerätehersteller, denen man daraus keinen Vorwurf machen kann. Verlieren werden alle übrigen, insbesondere Transferempfänger und Steuerzahler.

Mich beeindruckt und beängstigt die Bereitschaft unserer Gesellschaft, stärkste Eingriffe in Freiheits- und Eigentumsrechte hinzunehmen, obwohl es für die Maßnahmen keine valide Datenbasis gibt.

Rundblick: Werden sich Wirtschaft und Gesellschaft nach dieser Corona-Krise dauerhaft verändern? Wie, meinen Sie, wird diese Veränderung aussehen?

Prof. Homburg: Mich beeindruckt und beängstigt die Bereitschaft unserer Gesellschaft, stärkste Eingriffe in Freiheits- und Eigentumsrechte hinzunehmen, obwohl es für die Maßnahmen keine valide Datenbasis gibt. Führende Virologen wie John Ioannidis von der Universität Stanford oder Sucharit Bhakdi von der Universität Bonn wenden sich vehement gegen Lockdowns und Social Distancing. Gehört werden aber offenbar nur Panikmacher wie Herr Drosten oder Herr Kekulé, der übrigens schon 2009 im Zusammenhang mit der „Schweinegrippe“ Schulschließungen wollte. Im Nachhinein handelte es sich bei der Schweinegrippe um eine von der Pharmaindustrie geschürte Hysterie, die übrigens Niedersachsen viele Millionen Euro für Impfstoffe gekostet hat, die unwirksam waren und weggeworfen wurden. Angesichts der Zweifel zahlreicher Fachleute und auch angesichts der ausbleibenden Welle von Schwerkranken, die mittlerweile seit Wochen vergeblich prognostiziert wird, könnte sich auch Corona im Rückblick als bloße Hysterie erweisen. Norditalien taugt als Gegenbeispiel jedenfalls nicht, weil es auch in den Vorjahren die mit Abstand höchste Todesrate bei Atemwegserkrankungen hatte. Wir haben nur nicht hingeschaut. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, liegt in Italien bei über 80 Jahren. Und zur zentralen Frage, ob diese Personen nicht nur mit dem Virus infiziert waren, sondern auch kausal daran gestorben sind, werden keine Daten erhoben.

Rundblick: Was würden Sie als politisch Verantwortlicher jetzt tun?

Prof. Homburg: Anfangs haben Ministerpräsidenten wie Stephan Weil oder Armin Laschet besonnen reagiert, was mir gefallen hat. Durchgesetzt hat sich mittlerweile ein Überbietungswettbewerb um die schärfsten Maßnahmen. Wenn jetzt in Berlin diskutiert wird, große Teile der Wirtschaft bis tief in den Sommer oder Herbst zu schließen, dann kann einem nur Angst und Bange werden. Vernünftig abgewogen wird jedenfalls nicht mehr: Niemand zählt die Opfer verschobener Operationen, darunter Krebs- und Herzpatienten. Niemand diskutiert, was wir hier erleben werden, wenn sich die Leute in den Supermärkten nicht mehr um Hygieneartikel streiten, sondern um Nahrungsmittel, nachdem die Ernten in Deutschland, Italien und Spanien eingebrochen sind. Der Ansturm auf Waffengeschäfte in den USA ist da ein Menetekel. Ich würde den Lockdown daher sofort beenden. Geschäfte, Schulen und Stadien sollten wieder öffnen. Gleichzeitig sollten wir aus Vorsichtsgründen die alte Bevölkerung schützen, indem zum Beispiel Besuchsverbote für Alten- und Pflegeheime vorübergehend beibehalten werden.