Seit gestern steht nun nicht mehr ein 61 vorn, sondern nur noch eine 60. Die sogenannte „Schuldenuhr“ des Bundes der Steuerzahler (BdSt), die vor nicht ganz einem Vierteljahrhundert im CDU-Fraktionssaal im Landtag aufgehängt wurde, ist gestern feierlich korrigiert worden. Dazu hatten sich der Präsident des Steuerzahlerbundes, Bernhard Zentgraf, der Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) und CDU-Fraktionsvize Ulf Thiele vor dem Objekt getroffen.

Zentgraf gab per Knopfdruck den neuen Schuldenstand ein, es sind jetzt 60,494 Milliarden Euro – gegenüber 61,180 Milliarden Euro bisher. Diese Summe beschreibt die Schulden, die sich im niedersächsischen Landeshaushalt in den vergangenen Jahrzehnten angehäuft haben, und das bei einem Volumen der Einnahmen und Ausgaben von rund 33 Milliarden Euro jährlich. Vor rund einem Jahr ist die Uhr schon einmal verbessert worden, damals hatte Hilbers aus dem Haushaltsabschluss des Jahres 2017 einen Betrag von 100 Millionen als Sondertilgung verwendet. Dieses Mal ist – nach einem Jahr mit noch kräftiger sprudelnden Einnahmen – sogar ein Betrag von 686 Millionen Euro getilgt worden.

Bernhard Zentrag, Reinhold Hilbers und Ulf Thiele stellen die Schuldenuhr um – Foto: kw

Zwischen dem Finanzministerium und dem BdSt gibt es bei diesen Zahlen noch leichte Abweichungen, die hängen mit der Berechnungsmethode zusammen. Deshalb geht die Landesregierung von einem etwas höheren Betrag aus, nämlich 60,666 Milliarden Euro. Wie CDU-Fraktionsvize Thiele erläuterte, versucht die SPD/CDU-Koalition einen „Dreiklang“ beim Umgang mit dem Berg an Altschulden: Erstens der Versuch, bei sehr guten Einnahmen mit Sondertilgungen vorzugehen, wie jetzt beim Jahresabschluss geschehen. Zweitens die Anwendung der „Schuldenbremse“: Demnach wird in konjunkturell sehr guten Zeiten Geld beiseitegelegt, das dann in schwierigen Zeiten als Notgroschen verwendet werden soll. Dazu sind eine Verfassungsänderung und ein Landesgesetz in Vorbereitung.

Drittens spricht sich Thiele für die Bekämpfung der „verdeckten Verschuldung“ aus, also der Tatsache, dass in Straßen, Brücken und öffentliche Gebäude in den vergangenen Jahren nicht gut genug investiert wurde. Dort habe sich ein hoher Investitionsbedarf angestaut. Zentgraf sagte, er fände es gut, wenn die Schuldenuhr in Zukunft auch einmal „rückwärtslaufen“ könne. Das wäre möglich, wenn der Abbau der Verschuldung schon zum Start des Haushaltsjahres festgelegt würde und nicht – wie jetzt, vor einem Jahr und auch bereits im Jahr 2016 – erst spät nach Abschluss eines Haushaltsjahres festgestellt wird.

Der Finanzminister äußerte sich in der Veranstaltung auch zur gegenwärtigen Steuerschätzung, die noch bis Ende der Woche erarbeitet wird. Da für 2020 mit einer „leichten Wachstumsdelle“ zu rechnen sei, da die Bundesregierung die erwartete Steigerung auf 0,5 Prozent gekürzt hatte, würden die erwarteten Einnahmen sinken. Auf die Frage, ob die von der SPD für den Fall einer guten Einnahmenbasis angestrebte Rückkehr zum Weihnachtsgeld für Beamte möglich sei, antwortete Hilbers: „Die Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamten kostet uns jährlich rund eine Milliarde Euro. Damit gehen wir stark an die Grenze dessen, was das Land zu leisten imstande ist. Ich glaube kaum, dass daneben noch Spielräume vorhanden sind.“ Falls man ein Weihnachtsgeld einführen wolle, müsse dies „nachhaltig“ geschehen – also auch für die Folgejahre durchfinanziert werden.


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Der Minister deutet allerdings an, dass die Haushaltslage 2021 und in den Folgejahren nach der neuen Steuerschätzung noch viel angespannter werden könne als 2020. Thiele ergänzte, für jede geplante Mehrausgabe müssten diejenigen, die diese wünschen, Einsparvorschläge in gleicher Höhe abliefern. Man werde darüber „nach den Sommerferien“ beraten, wenn die Fraktionen über den Haushaltsentwurf der Regierung, der Anfang Juli beschlossen wird, im Detail diskutieren. Die SPD-Haushaltsexpertin Frauke Heiligenstadt nannte am Mittwoch mehrere Prioritäten ihrer Partei: sozialer Wohnungsbau, Maßnahmen gegen den Klimawandel, Investitionen in Krankenhäuser und Beschleunigung der Digitalisierung.

Der FDP-Haushaltsexperte Christian Grascha sagte, der Schuldenabbau sei ein „Täuschungsmanöver“, denn die Koalition blende die Tatsache aus, dass für die Rettung der Nord/LB Milliardenbeträge des Landes nötig werden, die nicht über den Landeshaushalt laufen sollen, sondern parallel zu ihm. Der Grünen-Finanzfachmann Stefan Wenzel erklärte, das Drehen an der Schuldenuhr „weckt Illusionen über die tatsächliche Finanzlage“.