Dem Politikjournal Rundblick liegen Mitschriften eines AfD-internen Treffens am 20. Februar vor – und die darin geschilderten Abläufe enthalten erheblichen politischen Sprengstoff. Etwa 20 aktive niedersächsische AfD-Mitglieder haben im „Niedersachsenhof“ in Verden den im vergangenen Jahr offiziell aufgelösten „Flügel“, eine rechtsnationalen Bewegung innerhalb der AfD um den Thüringer Björn Höcke, neu formiert und beschlossen, neben den offiziellen Kreisvorständen sogenannte „Parallelstrukturen“ aufzubauen.

Das sollte offenbar dem Ziel dienen, die Mehrheitsverhältnisse in der niedersächsischen AfD zu beeinflussen und die Reihen des rechten Lagers in der AfD zu schließen. Der Aufbau von Parallelstrukturen kann als parteischädigendes Verhalten gewertet werden, und nach Rundblick-Informationen beschäftigt sich der AfD-Bundesvorstand in seiner heutigen Sitzung mit dem Fall. Möglich ist, dass die beiden Vize-Landesvorsitzenden Stephan Bothe aus Lüneburg und Uwe Wappler aus Verden mit Parteistrafen versehen werden, gleiches gilt für das Landesvorstandsmitglied Thorsten Althaus aus Celle.

Parteivize Uwe Wappler soll die These aufgestellt haben, dass in die AfD Kräfte „eingeschleust“ worden seien – Foto: RB

Was ist geschehen? Die Gruppe der 20 Mitglieder zählt zu den Getreuen des Landesvorstandes um den Vorsitzenden Jens Kestner und den Bundestagsabgeordneten Armin-Paul Hampel. Sie hatten vergangenen Dezember bei der Aufstellung der Bundestagsliste eine herbe Niederlage erlitten und keinen ihrer Kandidaten platzieren können. Später zweifelte der Landesvorstand die Ordnungsmäßigkeit der Aufstellungsversammlung an, da mindestens 24 Mitglieder nicht vorschriftsmäßig eingeladen worden seien. Inzwischen hat die Landeswahlleiterin geprüft und viel spricht dafür, dass die AfD die Aufstellungsversammlung Anfang oder Mitte Juli wiederholt. Bei dieser Gelegenheit könnten beide Lager, das um Hampel und das um den im Dezember gewählten neuen Spitzenkandidaten Joachim Wundrak, eine Kompromiss-Liste schließen. Gespräche in diese Richtung wurden schon gestartet.

Doch die Aussichten auf eine Verständigung sind nun nach den aktuellen und überraschenden Vorwürfen schlechter denn je. Aus den Mitschriften der internen Treffen der 20 Mitglieder am 20. Februar wird in Wortwahl, Ausdrucksweise und Zielrichtung eine Feindseligkeit gegenüber dem Wundrak-Lager deutlich, die an Klarheit keinen Zweifel lässt. So soll Vorstandsmitglied Althaus gesagt haben, dass „die alten Flügelstrukturen reaktiviert“ werden sollten, dass man „an den gewählten Kreisverbandsstrukturen vorbei“ Beauftragte für jeden Kreisverband ernenne, die für die Vernetzung der Flügel-nahen AfD-Mitglieder sorgen sollten, dass damit eine Struktur „unter dem Radar der Kreisverbände“ bestehen solle. Die Flügel-nahe Gruppierung nennt sich „Patrioten“.

Dem Vize-Landesvorsitzenden Stephan Bothe wird vorgehalten, er soll eine Variante aufgezeigt haben, die beschreibt, auf welche Weise AfD-Mitglieder motiviert werden könnten, zu den Parteitagen zu kommen. Bundestagskandidaten könnten „auch bereit sein, einen Bus zu stiften“, soll Bothe auf die Frage einer Parteifreundin angeregt und hinzugefügt haben: „Das hat auch nichts mit Korruption zu tun.“ Zudem soll Bothe sich bereit erklärt haben, die neuen Flügel-Koordinationen mit Informationen zu versorgen – etwa über die Mitgliedschaften.

Auf besonderes Interesse dürfte im Bundesvorstand der Auftritt des Vize-Landesvorsitzenden Uwe Wappler stoßen, der schon in der Vergangenheit immer wieder mit verbalen Attacken gegen einzelne Mitglieder der AfD aufgefallen war. Wappler soll die These aufgestellt haben, dass in die AfD Kräfte „eingeschleust“ worden seien, die die Partei unterwandern wollten. Dazu soll Wappler erläutert haben: „Wir müssen generalstabsmäßig diese Leute identifizieren und wir müssen sie stellen. Wir müssen auch, quasi wie die heilige römische Inquisition, Leute vorladen und sagen: Du, mein Freund, ich weiß genau, Du hast mit dem was vereinbart. Entweder Du gestehst jetzt, weil der hat schon gestanden, und das schreiben wir jetzt gemeinsam auf. Und dann gehe ich danach mit dem Zettel zu ihm und sage: So, mein Freund, Dein Kumpel, der hat schon gesungen. Wenn Du jetzt auch singst, erhältst Du einen Gnadenerlass und zwei Jahre Ämtersperre – und dann ist wieder gut.“

Feindseligkeit gegenüber parteiinternen Gegnern

Wappler soll in diesem Zusammenhang Hitlers – später entlassenen – General Erich von Manstein als Vorbild genannt haben. Dann soll er noch hinzugefügt haben: „Die Hauptaufgabe, die wir haben, ist eine ganz einfache: Jeder, der mit Dana Guth gemeinsam auf einem Foto war, lächelnd und winkend… Jeder, der Anhänger von Dana Guth ist und das offen gewesen ist, den bekämpfen wir persönlich. Nach dem Motto: Du bist ein Helfer einer Verräterin und wir vermuten, Du bist auch ein Verräter, und wir fordern Dich jetzt auf, geh‘ jetzt zur LKR und beschädige die AfD nicht noch mehr.“ Noch ein anderes Zitat wird Wappler zugeschrieben: Hier müsse man „nicht mit dem Breitschwert, sondern mit dem Skalpell vorgehen“. Das sei in aller Konsequenz nötig, denn die andere Seite in der AfD verfolge das Ziel, die Flügel-Anhänger „zu vernichten“.

Der Plan, der auf diesem AfD-Treffen verfolgt wurde, ist Wasser auf die Mühlen all derer in der AfD, denen das Wirken von Wappler und Bothe seit langem ein Dorn im Auge ist. Gleichzeitig schmälern sich mit Bekanntwerden der Vorwürfe die Aussichten, dass beide Richtungen im Landesverband doch noch zueinander finden. Und Wapplers Wortwahl unterstreicht einmal mehr die Feindseligkeit, mit der er gegenüber seinen parteiinternen Gegnern agiert. Es heißt, im Bundesvorstand gebe es eine klare Mehrheit von Mitgliedern, die Parteiordnungsmaßnahmen gegen die drei Hauptakteure dieses Treffens am 20. Februar befürworten.

AfD-Vize Bothe meldete sich am Abend und erklärte, die Versammlung sei „ein völlig normales Zusammenkommen von AfD-Mitgliedern“ gewesen, da sei nichts Illegales geschehen. Illegal sei nur, dass die Zusammenkunft offenbar abgehört worden sei. (kw)