Rechtschreibexperte Josef Lange kritisiert die Landeshauptstadt aufgrund ihrer Regelung zum Gendern. | Foto: Nico Herzog, Pixabay/Viktoria Schubert, Montage: Rundblick

Der Vorsitzende des Rates für deutsche Rechtschreibung, Josef Lange (Foto), hat die Entscheidung der Landeshauptstadt Hannover für die Verwendung einer Gendersprache scharf kritisiert. „Für mich ist das ein Zeichen der Provinzialität, das zu einer weltoffenen Messe-Stadt mit internationalem Anspruch überhaupt nicht passt“, sagte Lange im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Die Verwendung beispielsweise von Gender-Sternchen führe zur Unverständlichkeit und berge die Gefahr, dass bei Übersetzungen Missverständnisse entstehen. Das sehe man schon an einem einfachen Beispiel, nämlich der Übertragung des Wortes „Richterinnen“ oder „RichterInnen“ ins Englische oder ins Französische: „Es kommen dann unterschiedliche Begriffe dabei heraus, die alles bedeuten, nur nicht den Hinweis auf weibliche Richter“, erläutert Lange.

Lange, der bis 2013 Staatssekretär im Wissenschaftsministerium war, führt den Vorsitz im Rat für deutsche Rechtschreibung, der über die Regeln der deutschen Sprache in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein, Südtirol und der belgischen deutschsprachigen Minderheit wachen soll. Dieses Gremium gibt Empfehlungen ab und beurteilt die Verwendung von Gender-Symbolen wie Doppelpunkten, Sternchen oder Unterstreichungen ausgesprochen kritisch. In der Bundesrepublik wird seit geraumer Zeit eine intensive Diskussion darüber geführt, ob die Gender-Sprache verwendet werden soll. Neben vehementen Befürwortern gibt es auch energische Kritiker. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird in bestimmten Sendungen von einigen Moderatoren das Gendern in der Form einer Sprechpause (etwa „Lehrer…Innen“) benutzt, wofür der Begriff „Glottisschlag“ kursiert. Im Landtagswahlkampf ist das von CDU-Chef Friedrich Merz attackiert worden, Merz verglich Sender mit „Volkserziehungsanstalten“. Aus Hochschulen wird berichtet, dass in Klausuren und Prüfungsarbeiten Punktabzüge drohen, wenn auf das Gendern verzichtet und beispielsweise nur die männliche Form (in Gestalt des generischen Maskulinums) verwendet wird. Einige Kommunen haben zudem das Gendern in ihrer Amtssprache eingeführt, unter den größeren zählte Hannover damit zu den ersten, die dies angeordnet hatten.

Die Rechtslage ist nun so, dass für Bund und Länder die Amtssprache gilt, in der empfohlen wird, neben der männlichen auch die weibliche Form zu nutzen („Lehrerinnen und Lehrer“). Das hat das für Gleichstellung zuständige Bundesfamilienministerium im September 2021 (damals noch unter Leitung der heutigen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht) verfügt. Demnach sind Gendersternchen, Binnendoppelpunkt, Binnenunterstrich, Schrägstriche oder großes Binnen-I nicht zulässig. „Solche Schreibweisen gelten derzeit als rechtschreibwidrig“, heißt es. Lange erklärt, dass Hochschulen sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen und Kommunen auf die kommunale Selbstverwaltung, wenn sie – wie teilweise der Fall – diese Vorgabe des Bundes missachten. Der Vorsitzende des Rates für Rechtschreibung sieht darin aber einen Probleme. So müssten die Hochschulen die Freiheit der Berufswahl in Artikel 12 des Grundgesetzes beachten. „Wenn aber der Verzicht auf Genderung in einer Prüfungsarbeit mit Punktabzug bewertet wird und der Student deshalb durch die Prüfung fällt, hat die Regelung der Hochschule Auswirkungen auf Lebenschancen junger Menschen“, sagt Lange. Das sei nicht in Ordnung. Und ob die Kommunen eigene Wege gehen könnten, müsse gerichtlich geklärt werden. 2021 hatte es eine Klage der AfD im Kreis Goslar gegen Bestrebungen des damaligen Landrats gegeben, das Verwaltungsgericht Braunschweig teilt auf Anfrage mit, dass es noch keinen Termin für eine Verhandlung gebe.

Nach den Worten des Vorsitzenden des Rates für deutsche Rechtschreibung müsse man auf die rund 20 Prozent der deutschen Erwachsenen achten, die Schwierigkeiten mit der Sprache haben. Für sie werde durch die Gender-Vorgaben die Verständigung enorm erschwert. Das werde auch aus einem Gutachten des früheren Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier deutlich, der auf den berechtigten Anspruch der Menschen auf eine verständliche Amtssprache hingewiesen habe. Kritik übt Lange auch an den Richtlinien, die das niedersächsische Kultusministerium erlassen habe. Dort sei vorgegeben worden, dass Schüler in ihren Arbeiten auch Sternchen oder Doppelpunkte als Gender-Symbole nutzen dürfen, ohne damit einen Fehler angestrichen zu bekommen. „Das halte ich für problematisch. Wenn man schon ein Regelwerk für verbindlich erklärt, wie es Bund und Länder getan haben, dann muss man sich an dieses Regelwerk auch halten. Oder man sollte so ehrlich sein und das Regelwerk aufheben“, betont der frühere Staatssekretär.