Prof. Hans Michael Heinig, Professor für Öffentliches Recht an der Uni Göttingen, hat sich eingehend mit dem Thema „Ziviler Ungehorsam“ beschäftigt. Ein von ihm verfasster Aufsatz, den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ veröffentlicht hat, trägt die provokante Überschrift „Wenn der Zweck die Mittel heiligen soll“.

Prof. Hans Michael Heinig | Foto: Uni Göttingen

Heinig wägt zunächst die verschiedenen Interpretationen und konkreten historischen Formen des zivilen Ungehorsams gegeneinander ab. Die Definition des Philosophen Jürgen Habermas beispielsweise sehe vor, dass die Akteure auf jeden Fall die Kosten für den Gesetzesverstoß zu tragen hätten. Für Hannah Arendt ist der zivile Ungehorsam eine kollektive Tat in einer konkreten politischen Situation.

Gegen eine erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1969, wonach auch psychischer Druck (etwa über Straßenblockaden) als „vergeistigte Gewalt“ und damit Nötigung angesehen wird, habe das Bundesverfassungsgericht eine Gegenmeinung vertreten und die Versammlungsfreiheit betont. Verkehrsbehinderungen seien also eine „sozialadäquate Folge der Wahrnehmung grundrechtlicher Versammlungsfreiheit“.



Nun beleuchtet Heinig diesen Konflikt im Lichte des Klimawandels, der beim Bundesverfassungsgericht im März 2021 einen hohen Stellenwert erfahren hatte. Einige Gerichte hätten die Ansicht vertreten, das Staatsziel des Umweltschutzes sei ein schützenswertes Rechtsgut und rechtfertige es, sich dafür auf einen Notstand berufen zu können. Laut Heinig reagieren Gerichte „überschießend“, wenn apokalyptische Bedrohungsszenarien des Klimawandels beschwören und die Rechtsfolgen gar nicht mehr ernsthaft abwägen.

Außerdem drohten „Übergriffe der Rechtsprechung in die Domäne der Gesetzgebung“, wenn Gerichte meinten, den Gesetzesverstoß als erlaubt anzusehen. „Welches Bauvorhaben, welche Art von emittierendem Betrieb, welche Verkehrsnutzung ungeachtet des zweifelsohne gewichtigen Anliegens des Klimaschutzes zulässig sind, entscheidet in den durch Grundrechte markierten Grenzen im ersten Zugriff zunächst einmal der Gesetzgeber.“ Dann schreibt Heinig noch: „Wer besseres Wissen oder überlegene Moral für sich reklamiert, muss diese letztlich in demokratisches Stimmgewicht umsetzen.“