Sollte es verboten sein, Sex zu kaufen? Seit Jahren schwelt die Diskussion über ein Sexkaufverbot nach dem sogenannten „Nordischen Modell“. Dieses sieht vor, dass nicht das Anbieten, sehr wohl aber die Inanspruchnahme von Prostitution unter Strafe gestellt wird. Im März erreichte das Thema auch den niedersächsischen Landtag. Die FDP-Fraktion wollte erwirken, dass sich das Parlament eindeutig gegen ein solches Sexkaufverbot nach schwedischem Vorbild ausspricht.

Doch nach recht kurzer Debatte und einer Unterrichtung der Landesregierung im zuständigen Sozialausschuss hat sich die Große Koalition nun entschieden, den Antrag am kommenden Mittwoch geschlossen abzulehnen. Dieser Schritt verwundert nun, konnte man bei der Einbringung des Antrags im März-Plenum doch noch den Eindruck gewinnen, zwischen den Fraktionen des Landtags bestünde große Einigkeit darüber, dass man das „Nordische Modell“ nicht anstrebt. Und auch die weiteren Punkte des Antrags schienen keine großen Kontroversen auszulösen.

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So erklärte Gudrun Pieper damals für die CDU-Fraktion: „Ein Sexkaufverbot sehen wir schon kritisch. Es könnte den Weg in die Illegalität befördern.“ Genau wie Pieper pflichtete auch Thela Wernstedt von der SPD den FDP-Forderungen im Großen und Ganzen bei, sah manches zwar schon als erfüllt an aber sprach sich auch für eine Überprüfung des Status quo aus. Ergänzend verwies sie noch auf das europaweite Lohngefälle, das auch eine Rolle spiele. Auf Rundblick-Anfrage erklärte Wernstedt nun, das „Nordische Modell“ finde in der SPD-Fraktion zwar Beachtung, sie lehne dieses aber ab, weil es zu einer Abwanderung der Prostitution ins Illegale führen könnte. Allerdings sagte sie auch: „Viele Punkte aus dem im Plenum zu diskutierenden Antrag werden in anderen Gesetzen bereits so oder ähnlich umgesetzt, weshalb der Ausschuss die Ablehnung empfiehlt.“

Der Antrag hätte die Chance geboten, dass sich der Landtag geschlossen gegen das ‚Nordische Modell‘ positioniert.

Bei den Oppositionsfraktionen löst die angekündigte Ablehnung durch die Regierungsfraktionen Verärgerung aus. „Der Antrag hätte die Chance geboten, dass sich der Landtag geschlossen gegen das ‚Nordische Modell‘ positioniert“, sagte die FDP-Sozialpolitikerin Susi Schütz auf Rundblick-Anfrage. Sie teilt nicht die Auffassung der Regierungsfraktionen, dass viele Punkte auf einem guten Weg seien. Neben dem starken Signal gegen das Sexkaufverbot hätte sich Schütz mehr finanzielle Unterstützung etwa für einen niedrigschwelligen Zugang zu Weiterbildungs- und Schulungsmöglichkeiten gewünscht. Zudem sei die Abdeckung mit Beratungsangeboten in einem Flächenland wie Niedersachsen noch nicht gegeben. Im Gespräch mit dem Rundblick machte sie deutlich, dass es zwar gute Angebote in Hannover gebe, sowie in Osnabrück und Braunschweig spezielle Anlaufstellen für Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden. Landesweit fehle es da aber noch an Projekten.

Dass die GroKo den Antrag einfach so ablehnt, ohne eine eigene Alternative auf den Tisch zu legen, ist bitter.

Ähnliche Punkte führt auch Imke Byl, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, an. Prostitution finde statt, sagte sie im Rundblick-Gespräch, und zwar nicht nur in Hannover, sondern im ganzen Land. „Dass die GroKo den Antrag einfach so ablehnt, ohne eine eigene Alternative auf den Tisch zu legen, ist bitter.“ Byl sieht nun vor allem für die Zeit nach der Corona-Pandemie erheblichen Handlungsbedarf. Durch das lange Prostitutionsverbot seien Sexarbeiterinnen in die Illegalität gedrängt worden, berichtete sie. Legale, kontrollierbare Strukturen seien verschwunden. „Gerade jetzt ist eine Stärkung der Beratungsstellen und der aufsuchenden Arbeit wichtiger denn je, um den betroffenen Frauen helfen zu können.“

Eine mögliche Erklärung für die ersatzlose Ablehnung des Antrags könnte darin zu finden sein, dass in dem Entschließungsantrag der FDP zwei unterschiedliche Punkten vermengt worden sind: zum einen die Ablehnung des Sexkaufverbots, zum anderen die Förderung diverser Maßnahmen zur Unterstützung von Prostituierten. Gerade beim Letzteren scheinen sich die Regierungsfraktionen nach der Unterrichtung durch das Sozialministerium auf die Position zu stellen, es werde schon genug getan.

In der Frage des Sexkaufverbots sehen Beobachter allerdings einen Bruch, der quer durch alle Parteien und alle Fraktionen verlaufe, überall seien entschiedene Befürworter wie Gegner dieses Schrittes zu finden. In den Regierungsfraktionen in Niedersachsen konnte man den Eindruck gewinnen, die Gegner eines Sexkaufverbots seien in der Überzahl, auch die Landesregierung hatte sich zuletzt wiederholt gegen ein generelles Verbot ausgesprochen. Doch womöglich drängt der parteiinterne Streit über die Frage die Fraktionen von SPD und CDU nun zur Ablehnung.

Die Frauen-Union hatte sich bereits 2020 eindeutig für das „Nordische Modell“ ausgesprochen und auch bei den Sozialdemokraten sind die Sympathien durchaus gegeben. Die Ablehnung des Entschließungsantrags stellt derweil keine Entscheidung für das „Nordische Modell“ dar – es vertagt die Entscheidung nur auf das kommende Jahr, wenn auf Bundesebene ohnehin eine Überarbeitung des Prostitutionsschutzgesetzes ansteht.