Bis spät in die Nacht zum Donnerstag hinein dauerte die digitale Sondersitzung der Agrarministerkonferenz. Verhandelt wurde über den sogenannten nationalen Strategieplan, der regelt, wie künftig die Agrarsubventionen der EU in Deutschland verteilt werden sollen. Das Ziel ist es, noch bis Jahresende das deutsche Konzept zur Umsetzung der reformierten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bei der EU einzureichen. Bis Ende Juni muss daher das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein.

Wer aus rein ideologischen Gründen die künftige EU-Agrarpolitik blockiert, der hat kein Herz für unsere Bauern.

Barbara Otte-Kinast (CDU)

Als Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) und die 16 Ressortchefs der Länder ihre Videokonferenz nach zwei Uhr nachts beendeten, war der Unmut allerdings vor allem in Kreisen der Union groß, denn eine Einigung gab es erneut nicht. Bereits im Februar waren die Agrarminister nach einer zwölfstündigen Sitzung zu keinem Ergebnis gekommen, danach wurde auf Ebene der Staatssekretäre weiterverhandelt. In der Sitzung am Mittwoch habe man die gute Arbeitsebene aber wieder verlassen und sei erneut in Grundsatzreden hängen geblieben, heißt es. Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) kritisiert nun ihre Amtskollegen von den Grünen, an denen eine Einigung offenbar scheiterte: „Wer aus rein ideologischen Gründen die künftige EU-Agrarpolitik blockiert, der hat kein Herz für unsere Bauern.“

Streit über 20 oder 50 Prozent

Bei der Neuausrichtung der Förderpolitik geht es um die Frage, welche Anforderungen an ökologische Standards zur Voraussetzung für die Fördermilliarden der EU gemacht werden und inwieweit die Subventionen generell zum Umwelt- und Artenschutz hin verlagert werden können. Aus Brüssel wird derzeit ein Korridor von 20 bis 30 Prozent der Direktzahlungen für diese sogenannten Umweltregelungen vorgegeben, die Grünen fordern aber eine Quote von 50 Prozent. Da die Mittel dieser ersten Fördersäule in Niedersachsen aber bis zu 60 Prozent der Betriebseinnahmen ausmachen, befürchtet man im Landesagrarministerium, dass diese Umverteilung gerade kleinbäuerliche Betriebe hart treffen könnte.

Die EU-Agrarpolitik unterstützt aber auch direkt unsere Bauernfamilien, die für unsere Ernährung sorgen.

Barbara Otte-Kinast (CDU)

Es sei „leider wenig Wille zu ernsthaften Lösungen zu erkennen“ gewesen, sagte Niedersachsens Ministerin. „Wir alle wollen, dass die gemeinsame Agrarpolitik noch mehr als bisher zum Umwelt- und Klimaschutz beiträgt. Die EU-Agrarpolitik unterstützt aber auch direkt unsere Bauernfamilien, die für unsere Ernährung sorgen.“ Sie kehrte den Vorwurf sogar noch um: „Wer uns jetzt eine rückwärtsgewandte Politik vorwirft, der hat kein Interesse an einer langfristigen Ökologisierung und lenkt in Wirklichkeit von Versäumnissen im eigenen Land ab.“

Grüne stellen acht Agrarminister

An den Agrarministern der Grünen führt in der Agrarministerkonferenz allerdings kein Weg dran vorbei. An elf Landesregierungen sind die Grünen beteiligt, in acht davon haben sie den Hut für die Agrarpolitik auf. Vorsitzender der Bund-Länder-Runde ist zudem derzeit der Grünen-Politiker Wolfram Günther, der im Freistaat Sachsen für Landwirtschaft und Umwelt zugleich zuständig ist. Die Union stellt nur vier Agrarminister in den Ländern sowie die Bundesministerin. Zwei Agrarminister kommen von der SPD, je einer der FDP und der Linken.

Genau diese parteipolitisch ungewöhnliche Opposition der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen stellt sich nun gegen die relative Mehrheit der Grünen. Kurzzeitig wollte man am Donnerstag eine gemeinsame Erklärung herausgeben, hat sich dann aber doch für einzelne Statements entschieden. Tenor war: Die Landwirte litten darunter, dass sie mit ihren Zukunftsfragen weiter hingehalten werden, weil die grünen Agrarminister kein Interesse an einem Kompromiss hätten. Man sei sich einig gewesen, dass man künftig mehr Agrarumweltmaßnahmen haben wolle.

Zudem hätte man sich deutlich bewegt und zahlreiche Kompromisswege aufgezeigt, hieß es in dem Entwurf einer gemeinsamen Erklärung, der dem Politikjournal Rundblick vorliegt. Die Kompromisse seien jedoch von den Agrarministern der Grünen immer wieder mit überzogenen oder unbegründeten Forderungen ausgeschlagen worden. Die Agrarminister von CDU, CSU, SPD, FDP und Linke unterstellen den Grünen, sich um eine Entscheidung vor der Bundestagswahl drücken zu wollen und dafür die Landwirte in „Geiselhaft“ zu nehmen.

Klöckner stichelt gegen die Grünen

Eine spitze Bemerkung zur Sonder-Agrarministerkonferenz gab Bundesminister Klöckner ab. „Das grüne Vorsitzland scheint ein Faible für Marathonsitzungen zu haben – an deren Ende dann leider nichts rauskommt“, erklärte sie am Donnerstag. Die Landesminister hätten damit nach der gescheiterten Sitzung im Februar bereits zum zweiten Mal die Chance vertan, sich aktiv bei der Ausgestaltung der GAP-Reform einzubringen. „Es hilft ja nichts, auf Maximalforderungen zu beharren, so werden keine Gesetze gemacht, aussitzen hilft nichts, man muss auch den Mut zu Entscheidungen haben.“

In der kommenden Woche soll in der regulären Frühjahrssitzung der Agrarministerkonferenz vom 24. bis 26. März ein weiterer Versuch unternommen werden, einen Kompromiss zu finden. Allerdings wird Klöckner dann schon eigene Vorschläge dem Bundeskabinett vorgelegt haben – ohne Beachtung der Wünsche aus den Ländern.