Im Koalitionsvertrag ist es bereits vereinbart, jetzt gehen die Grünen erste Schritte zur Umsetzung: Ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) für Niedersachsen soll kommen. Bei einer Podiumsdiskussion im Landtag, moderiert von der Grünen-Abgeordneten Evrim Camuz, trafen Stimmen von Betroffenen und Positionen aus dem öffentlichen Dienst in Ländern und Kommunen aufeinander. 

Diskutieren in Hannover (von links): Constanze Schnepf, Kevin Komolka, Evrim Camuz, Stefan Wittkop und Jason Weber. | Foto: Anne Beelte-Altwig

Als Deutschland 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) einführte, hat es die Vorgaben der EU gegen Diskriminierung nur teilweise umgesetzt, argumentieren die Grünen. Das AGG beschränkt sich auf das Handeln von Bürgern untereinander, zum Beispiel im Arbeitsleben. „Wenn man es konsequent weiterdenken will, braucht es ein Landesantidiskriminierungsgesetz“, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Ferda Ataman, in einer Videobotschaft.

Ein solches Gesetz könne Bürger vor diskriminierendem Handeln durch Bedienstete von Land und Kommunen schützen: etwa in Schulen, Behörden, Universitäten oder im Kontakt mit der Polizei. Berlin hat als erstes Bundesland ein LADG eingeführt. „Niedersachsen könnte das zweite Land sein“, sagte Ataman. Auch in Baden-Württemberg und Hamburg sind entsprechende Gesetze in Planung. 

Die Juristin Lena Gumnior erläuterte Eckpunkte des Berliner Gesetzes, die auch für Niedersachsen vorbildhaft sein könnten: Zentral sind Beschwerdestellen für Bürger. „Das Ziel ist, sich außergerichtlich zu einigen.“ Den Betroffenen sei vor allem wichtig, mit ihrer Diskriminierungserfahrung wahrgenommen zu werden.



Ein weiterer Eckpunkt sei ein Verbandsklagerecht, sodass Betroffene entlastet werden und ihre Erfahrung nicht persönlich vor Gericht bringen müssen. An ihrer Stelle würden dann bestimmte Verbände aktiv werden. Außerdem sollten alle Gesetzentwürfe einem „Diversity-Check“ unterzogen werden. Kontrovers wurde in der Veranstaltung vor allem die sogenannte „Beweislast-Umkehr“ diskutiert: Demnach soll die beklagte Institution nach den Vorstellungen der Grünen beweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt. 

„Was macht das mit einer Verwaltung?“, fragte Stefan Wittkop, der Pressesprecher des Niedersächsischen Städtetages. Unter den Bedingungen des LADG würde er Mitarbeitern nicht empfehlen, Gespräche allein zu führen. Dies kollidiert aber mit der ohnehin angespannten Personalsituation: „Die Verwaltungen gehen auf dem Zahnfleisch.“ Kevin Komolka, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), stellte klar: „Die GdP ist nicht gegen ein Landesantidiskriminierungsgesetz“ – anders als die Kollegen in Berlin. Allerdings seien bei der Kommunikation in Berlin Fehler gemacht worden: Bei der Polizei sei es so angekommen, als sei das Gesetz vor allem gegen sie gerichtet. 

In der Diskussion mit dem Publikum wurde deutlich, dass bei Behörden und Betroffenen unterschiedliche Kulturen kollidieren können: Den von Diskriminierung Betroffenen gehe es vor allem um eine Anerkennung ihrer – oftmals wiederholten und zermürbenden – Erfahrungen. Genau dies werde aber von den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes abgewehrt, weil für sie persönlich gleich Verwaltungsermittlungen bis hin zu einem Disziplinarverfahren drohten.



Offen blieb die Frage, wie der öffentliche Dienst zu einer konstruktiveren Fehlerkultur kommen könne. Stefan Wittkop vom Niedersächsischen Städtetag lobte, dass die Grünen das Thema in diesem frühen Stadium der Überlegungen zur Diskussion stellen. „Normalerweise kriegen wir erst den fertigen Gesetzentwurf.“ Detlev Schulz-Hendel, der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, bekräftigte: „Wir wollen das LADG auf den Weg bringen.“