Mit einem gemeinsamen Antrag, der im kommenden Landtagsplenum auf die Tagesordnung gebracht werden soll, machen Grüne- und FDP-Fraktion Druck für eine bessere Versorgung in der ambulanten Pflege. Der Pflegenotstand werde derzeit nur noch verwaltet, warf die Grünen-Sozialpolitikerin Meta Janssen-Kucz der niedersächsischen Sozialministerin Carola Reimann vor. Sie forderte die Landesregierung auf, alle aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen. „Man kann bereits jetzt von einem Pflegenotstand sprechen. Und wir steuern auf eine Pflegekatastrophe zu“, warnte Janssen-Kucz.

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Die Oppositionsfraktionen fordern das Land dazu auf, aktuelle Daten zur Versorgung in der ambulanten Pflege kleinteilig zu erheben. Es reiche nicht aus zu behaupten, über das Land hinweg gebe es keine Probleme, sagte die FDP-Abgeordnete Sylvia Bruns. Reimann hatte im vergangenen Landtagsplenum gesagt, für einen rechtsaufsichtlichen Eingriff müsse die Versorgungssicherheit akut gefährdet sein. Dies sei derzeit aber nicht der Fall. Erst im Fall einer akuten Gefährdung der Versorgungssicherheit könnten zum Beispiel Zwangsgelder verhängt werden.

Laut Grünen und FDP hat die Sozialministerin allerdings gar nicht die Datenbasis, um eine gefährdete Versorgungssicherheit festzustellen. Janssen-Kucz sprach am Mittwoch von täglich 230 abgelehnten Pflegebedürftigen in Niedersachsen. Die Zahlen errechnete sie aus Angaben des Bundesverbandes Privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) sowie der Wohlfahrtsverbände. Der BPA habe bei rund 1300 Pflegediensten nachgefragt, die mitgeteilt hätten, dass sie monatlich 5000 Pflegebedürftige abweisen müssten.

Sylvia Bruns (FDP) und Meta Janssen-Kucz (Grüne) bei der gemeinsamen Pressekonferenz – Foto: MB.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege habe Rückmeldungen von Diensten bekommen, bei denen innerhalb von drei Monaten 1700 Pflegebedürftige abgelehnt wurden. Hinzu kämen noch 70 komplett gekündigten Versorgungsverträge. Das Land brauche allerdings eigene offizielle und belastbare regionale Zahlen, die zusammen mit den Kommunen erhoben werden müssten. Die seien auch nötig, falls es beim Feststellen einer gefährdeten Versorgungssicherheit mit den Kassen zu einer juristischen Auseinandersetzung käme. Schließlich gehe es in Frage auch ums Geld, so Janssen-Kucz.

Aus dem Sozialministerium hieß es gestern, die Erhebung entsprechender regionaler Daten sei äußerst sinnvoll. Es sei allerdings Aufgabe der Pflegekassen, für entsprechendes Datenmaterial zu sorgen.


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„Ich glaube nicht, dass sich die Situation irgendwo im Land noch darstellt, dass sie die Statistik gut aussehen lässt“, meinte Bruns. Auch in Stadt Hannover, wo der Bedarf zuvor noch einigermaßen gut aufgefangen werden konnte, fühlten sich viele Pflegebedürftige und deren Angehörige inzwischen alleine gelassen. Ein ihr bekannter Pflegedienst in Hannover habe vergangenes Jahr bereits in den ersten vier Monaten 400 Pflegebedürftige abweisen müssen.

Im ländlichen Raum ist der Druck auf die Pflegeanbieter laut Janssen-Kucz noch deutlich höher. Das liege auch an den zum Teil langen Fahrtwegen, wodurch sich das Angebot finanziell nicht mehr trage. Die Wegepauschale liege tagsüber zwischen 3,18 Euro und vier Euro, nachts und an den Wochenenden zwischen 6,38 Euro und acht Euro. „Wenn man wie in Ostfriesland mal locker 40 oder 50 Kilometer für einen Termin fahren muss, dann weiß man, wie weit man mit so einer Pflegepauschale kommt. Die Verbände sprechen von einer Unterdeckung von bis zu 49 Prozent“, erklärte Janssen-Kucz, die die Angaben für realistisch hält..