Die Grünen in Niedersachsen haben eine neue Doppelspitze. Auf einem Parteitag in Celle wählten die Delegierten Anne Kura und Hans-Joachim Janßen zu Parteivorsitzenden. Kura, die erst seit März den Vorsitz innehatte, konnte ihr Ergebnis noch einmal leicht steigern. Im März hatte sie 91,5 Prozent erhalten. In Celle waren es diesmal 92,9 Prozent. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Hans-Joachim Janßen setzte sich gegen den bisherigen Parteivorsitzenden Stefan Körner durch. Janßen bekam 55, Körner nur 42 Prozent.

Bis zuletzt war unklar, wer von beiden Kandidaten das Rennen machen würde. Während Körner dem Realo-Flügel zugeordnet wird, gelten Kura und Janßen als Parteilinke. Janßen sieht allerdings keinen Richtungsstreit in der Partei. „Ich sehe keine Spaltung. Es standen zwei gute Kandidaten zur Auswahl und es gibt bei mir inhaltlich keinen großen Dissens zu meinem Vorgänger“, sagte Janßen nach der Wahl dem Politikjournal Rundblick.

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Körner und Janßen hatten in ihren Bewerbungsreden kurz Bezug auf die innerparteilichen Konflikte nach der Landtagswahl genommen. „Wir haben in der Regierungsbeteiligung und im Wahlkampf auch Fehler gemacht. Auch ich hätte deutlicher Kritik üben müssen, wenn unsere Minister Wenzel und Meyer zu nachgiebig gegenüber der SPD waren“, sagte Janßen. Aber das nur einer Person anzulasten, sei totaler Quatsch. Damit nahm Janßen indirekt seinen Konkurrenten Körner in Schutz, der innerhalb der Partei wegen des relativ schwachen Abschneidens bei der Landtagswahl kritisiert worden war. Körner selbst setzte sich ebenfalls zur Wehr. Fehler und Schwächen sollten offen angesprochen und gerne auch knallhart diskutiert werden. „Das gilt dann aber für alle Fehler und alle Schwächen aller Beteiligten, und es gilt auch nur, wenn man sich dabei offen in die Augen schaut. Alles andere ist unserer Grünen-Partei nicht würdig“, so Körner. An die Adresse der Delegierten sagte Körner, er als Person gebe keine Garantie für eine tägliche Schlagzeile, aber für ihn komme immer der Landesverband zuerst. Janßen dagegen sagte im Rundblick-Gespräch, er wolle dafür sorgen, dass die Partei in der Öffentlichkeit etwas stärker wahrgenommen werde als bisher.

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Die Grünen-Vorsitzende Anne Kura appellierte an die knapp 200 Delegierten, die Ziele weiterhin offensiv und optimistisch zu vertreten und sprach von einem positiven Veränderungsanspruch. Das mache die Grünen derzeit stark. „Wir stehen für eine Revitalisierung des Politischen. Im Bund läuft es gut, weil wir als sympathische und offene Partei dastehen, die sich dem Diskurs nicht verweigert. Das macht Spaß. Das müssen wir in Niedersachsen auch noch stärker machen“, so Kura.

Kritik übte sie an Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies. Seit er aus dem Wirtschafts- ins Umweltministerium gewechselt sei, komme aus dem Ministerium nur noch heiße Luft. „Das ist doppelt schlimm: Zum einen ist heiße Luft schlecht in der Klimakrise, zum anderen kommt nichts Produktives dabei heraus. Es reicht nicht einmal, das Umweltministerium ans Fernwärmenetz anzuschließen“, sagte Kura und erntete damit viele Lacher im Saal. Vor der Wahl des Vorstands hatten die Delegierten das Polizeigesetz in Niedersachsen einstimmig abgelehnt. Der Landtagsabgeordnete Belit Onay warf SPD und CDU vor, Bürgerrechte zu verramschen. Für den Vorsitzenden der Grünen Jugend, Timon Dzienus, ist das Polizeigesetz reine Symbolpolitik, mit der nur Sicherheit suggeriert würde. Auch bei einer Expertenanhörung sei das Gesetz durchgefallen. „Das Fazit war: Dieses Gesetz ist nicht gut. Aber immerhin ist es handwerklich schlecht gemacht“, scherzte Dzienus.

Die beiden neuen Parteivorsitzenden nach der Wahl: Kura und Janßen – Foto: MB.

Zu Beginn des Parteitags hatte Anton Hofreiter, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Bundestag, die Große Koalition in Berlin scharf angegriffen. Sie blockiere sich selbst und untergrabe mit ihrem Streit in Teilen der Bevölkerung das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates. Es sei deshalb jetzt eine besonders wichtige Aufgabe der Grünen, Demokratie und Rechtsstaat zu verteidigen. „Die Große Koalition mit ihrer Langweiligkeit und Trägheit ist nicht das Schicksal dieses Landes“, sagte Hofreiter. Die Grünen sieht er auf dem Weg, eine der wichtigsten Parteien im Land zu werden. Man müsse demütig bleiben, sagte Hofreiter dem Politikjournal Rundblick. „Unser Wachstum und unsere Entwicklung fand allerdings immer in Wellen statt. Und nach dem Abflauen einer Welle war die Basis jedes Mal wieder stärker, und wir konnten von einer breiteren und kräftigeren Basis Schwung holen für den nächsten Aufstieg.“

Eine wichtige Aufgabe der Grünen sei auch der Kampf gegen die AfD. „Im Bundestag laufen wieder Rechtsradikale herum, und es werden Reden gehalten mit rechtsradikalem Vokabular. “ Der „braune Spuk“ müsse im Bundestag und in den Landtagen so kurz wie möglich gehalten werden. In Bayern sei die „rechtsradikale Erfolgswelle“ zum ersten Mal gebrochen worden. Das sei gelungen, indem man in der Debatte keinen Millimeter nachgegeben habe. „Die progressive Mehrheit ist nicht mehr bereit, sich diese Verhetzungen gefallen zu lassen. Unsere Aufgabe ist es, der parlamentarische Arm dieser progressiven Mehrheit zu sein“, so Hofreiter. (MB.)