Spricht heute, 366 Tage vor der Landtagswahl, vieles für ein Bündnis von SPD, Grünen und FDP – oder gar für ein nur rot-grünes Bündnis im niedersächsischen Landesparlament? Auf diese Frage haben am Donnerstag sowohl die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Julia Hamburg, als auch der Grünen-Landesvorsitzende Hanso Janßen reagiert, und zwar mit einer jeweils etwas anderen Betonung. Janßen antwortete zuerst. Er sagte, die „inhaltlichen Schnittmengen mit der SPD“ seien am größten. Verhandelt werde aber nicht, bevor am Abend der Landtagswahl am 9. Oktober 2022 das Ergebnis vorliege. Bis dahin würden die Grünen für eine möglichst starke Ausgangsposition streiten, und die sei nur mit einem möglichst hohen Grünen-Resultat zu erreichen.

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Hamburg, die als Vorsitzende der Landtagsfraktion im Gespräch ist für die Spitzenkandidatur der Grünen bei der Landtagswahl, schränkte die Antwort von Janßen ein. So richtig der Hinweis auf die größeren Schnittmengen mit den Sozialdemokraten sei, so sehr stimme doch auch, dass es der SPD dennoch nicht gelinge, bei den wichtigen Themen etwa des Klimaschutzes „zu liefern“. Allein die Grünen würden für eine „progressive Sozial- und Klimapolitik werben“. Zwar ging auch Hamburg nicht so weit, Gespräche mit der CDU nach der Landtagswahl als Möglichkeit anzudeuten – aber im Unterschied zur Äußerung von Janßen lässt sich das in ihre Antwort sehr wohl hineininterpretieren.

Rechnerisch passt aktuell Rot-Grün

Die Grünen haben in den vergangenen Tagen das Bundestagswahlergebnis intensiv analysiert – und dabei zunächst festgestellt, dass nach dem niedersächsischen Landesergebnis vom 26. September sogar eine rot-grüne Regierung in Hannover möglich wäre. Das heißt: Wenn die niedersächsischen Wähler am 9. Oktober 2022 so abstimmen würden wie sie es bei der Bundestagswahl getan haben, könnten SPD und Grüne gemeinsam die nächste Landesregierung bilden. Hamburg sagte, es könne aber derzeit überhaupt nicht abgeschätzt werden, wie die Wähler in einem Jahr über die Arbeit der dann amtierenden Bundesregierung urteilen werden.

So könne es sein, dass viele dankbar sind für den Regierungseinfluss der Grünen auf wichtige Fragen – genauso gut könne sich Enttäuschung darüber breit machen, wie wenig die Grünen schon erreicht hätten. „Auf jeden Fall ist es wichtig, dass die Grünen in der Regierungsverantwortung ihre Position immer sichtbar machen – gerade auch dann, wenn sie in Kompromissen zurückstecken mussten“, hob Hamburg hervor. In der Zeit der rot-grünen Landesregierung zwischen 2013 und 2017 hätten sich die niedersächsischen Grünen dadurch ausgezeichnet, dass sie „immer treu zu den Kompromissen mit der SPD gestanden“ hätten und bemüht gewesen seien, öffentliche Konflikte mit den Sozialdemokraten zu vermeiden. Dies sei falsch gewesen, betonte die Fraktionschefin.

Vorsichtige Kritik äußerte Hamburg an der öffentlichen Resonanz auf die bereits vertieften Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene. So sehr man schnelle Verhandlungen begrüße, so irritiert sei man doch über öffentlich verbreitete Zwischenstände wie die Aussage, dass die Grünen ihren Wunsch nach einem Tempolimit für Autobahnen wegen des Widerstands der FDP beerdigen müssten. In Wahrheit, betont Hamburg, gehe es doch um viel grundsätzlichere Fragen wie weitere Autobahnbauten, den Stopp laufender Autobahnplanungen (etwa die A20) und Grundsatzfragen der Finanzierung neuer Infrastrukturprojekte. Zwischen Grünen und FDP gebe es hier noch gewaltige Unterschiede.


Anträge für den Doppelhaushalt: Die Grünen wollen zum geplanten Doppelhaushalt 2022/2023 vor allem in zwei Bereichen Änderungen erwirken: Die geplante Kürzung der Zuschüsse für die Migrationsberatung müsse eilig zurückgenommen werden – denn sonst würden viele Betroffene sich wegbewerben und Beratungsstellen wären von der Schließung bedroht. Zum anderen solle die Tarifanpassung für Volkshochschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung rasch festgeschrieben werden, denn sonst könnten auch hier Abwanderungsbewegungen von Betroffenen die Angebote gefährden.