In der hannoverschen Rathausaffäre um rechtswidrige Zulagen an zwei hochgestellte Mitarbeiter gibt es weitere Ungereimtheiten. Aus Berichten des „Rechnungsprüfungsamtes“ (RPA) im Rathaus geht hervor, dass zweimal – 2015 und 2017 – ausdrücklich Bedenken gegen die in der Stadtverwaltung übliche Zulagen-Praxis geäußert wurden. Zu einer Überprüfung solcher Zahlungen ist es allerdings nicht vor Frühsommer 2017 gekommen, obwohl Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) die Kritik des ihm organisatorisch zugeordneten RPA viel früher schon hätte kennen müssen. Diese Hinweise können als weiteres Indiz dafür gewertet werden, dass Schostok sehr wohl Hinweise auf die Fragwürdigkeit der Bezahlung seiner Mitarbeiter hatte, diese aber nicht zur Kenntnis nahm oder sich zumindest nicht darum kümmerte.

Überstundenausgleich nicht als Pauschale

Die RPA-Berichte für die Haushaltsjahre 2014 und 2016 der Stadt Hannover liegen dem Politikjournal Rundblick vor. Der Bericht für 2014 beschäftigt sich mit den „dienstlich angeordneten Überstunden“ und schließt in diesem Kapitel mit der Bemerkung: „Die Zahlung der pauschalen 1,02 Millionen Euro Überstundenvergütungen wird von uns kritisch gesehen.“ Es folgt dann ein Hinweis darauf, dass laut Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Pauschalen für den Überstundenausgleich nicht zulasse. Sofern es keine Arbeitszeitkonten gebe – wie es in Hannover der Fall sei -, dürften Überstunden nur als entsprechende Zeitzuschläge, nicht jedoch als Pauschale vergütet werden. Die Passage im RPA-Bericht für 2016 ist ähnlich formuliert. Ausdrücklich bezieht sich die Kritik auf das Tarifpersonal – also die Angestellten im Stadtdienst. Im Fall des Büroleiters von Schostok, dessen B2-Gehalt mit einer Zulage auf B5 gehoben wurde, formal auch als Überstundenausgleich, geht es aber um einen anderen Bereich, das Beamtenrecht. Eine Mehrarbeitsvergütung bei hochgestellten Beamten (also solchen der B-Besoldungsgruppe) ist laut Landesgesetz prinzipiell nicht erlaubt. Obwohl dies nun eine andere Ebene betrifft als die Kritik, die vom hannoverschen RPA im Zusammenhang mit den Angestellten-Zulagen angesprochen wird, hätte Schostok aber die kritische Würdigung seiner Rechnungsprüfer zum Anlass nehmen können, die Überstundenvergütung an sich (für Angestellte und Beamte) zu beleuchten. Dies ist aber lange Zeit im Rathaus nicht geschehen.


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In seiner Erklärung vor dem Rat der Stadt Hannover am 21. Juni dieses Jahres sagte Schostok, er habe „erstmals im August 2017“ von „rechtlichen Bedenken“ wegen der Zulage an seinen damaligen Büroleiter Frank Herbert erfahren. Die RPA-Prüfberichte für die Jahre 2014 und 2016 zeigen allerdings, dass der OB schon viel früher von der Kritik der eigenen Verwaltung am System der pauschalen Überstundenvergütungen erfahren haben musste. Die Verbindung zum Fall Herbert liegt hier nahe, denn letztendlich handelte es sich ja auch dort um eine pauschale Zahlung, die mit der Begründung eines Ausgleichs für geleistete Überstunden gewährt wurde. Inwieweit auf Schostok der Untreue-Vorwurf zutrifft, prüft derzeit die Staatsanwaltschaft Hannover. Sie ermittelt gleichzeitig gegen Herbert und den damaligen Personaldezernenten Harald Härke. Bisher sind mehrere Indizien bekannt, die den Eindruck vermitteln, dass der OB von den rechtlichen Bedenken gegen die Zulage für Herbert wusste – obwohl er selbst nach wie vor behauptet, davon „keine Kenntnis“ gehabt zu haben. Sollte ihm dieses Wissen nicht nachzuweisen sein, wäre eine Einstellung des Verfahrens wegen der Geringfügigkeit der Vorwürfe durchaus denkbar. Es geht im Fall Herbert um monatlich rund 1050 Euro, die von April 2015 an etwa drei Jahre lang gezahlt wurden. Im Raum steht noch die Frage, ob die Stadt Hannover dieses Geld von Herbert zurückfordert – zumal inzwischen die Rechtswidrigkeit dieser geleisteten Zahlung von niemand mehr bestritten wird.

OB veranlasst Überprüfung

Eine Sprecherin der Stadt Hannover erklärte, der OB habe „die Überprüfung des gesamten Zulagensystems veranlasst“ – neben dem RPA werde noch ein externes Unternehmen eingeschaltet, die Auftragsvergabe werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Verwaltung hoffe, „dass diese Angelegenheit bis Jahresende 2018 abgeschlossen sein wird“.