Die Stimmung im hannoverschen SPD-Stadtverband war aufgeräumt und versöhnlich, als am vergangenen Sonnabend eine neue Parteiführung gewählt wurde. Auch wenn mittlerweile bundesweit in den Medien die niedersächsische Landeshauptstadt als Beispiel zitiert wird, sobald von den dramatischen Problemen der SPD die Rede ist, sind die 164 Delegierten des Stadtparteitages nicht auf eine Abrechnung oder Aufarbeitung aus. Beim Tagesordnungspunkt „Aussprache“ meldete sich niemand.

Ulrike Strauch und Adis Ahmetovic führen jetzt die hannoversche SPD – Foto: kw

Die bisherigen Hauptverantwortlichen, der scheidende Stadtvorsitzende Alptekin Kirci (MdL) und die frühere Ratsfraktionsvorsitzende Christine Kastning wurden sogar mit stehenden Ovationen aus ihren Funktionen verabschiedet. Der unterlegene Oberbürgermeisterkandidat Marc Hansmann, der in der Versammlung nicht das Wort ergriff, wurde als „derjenige, der uns in Schwung gebracht hat“ von Tagungspräsidentin Yasmin Fahimi (MdB) begrüßt. Auch für ihn erhoben sich die Delegierten von ihren Plätzen und applaudierten. Der frühere OB Stefan Schostok, der mit der „Rathausaffäre“ in Verbindung gebracht wird, war nicht erschienen.

Ahmetovic nennt sich „ein Arbeiterkind“

70 Jahre lang war Hannover von SPD-Oberbürgermeistern geführt worden, diese Zeit ist jetzt vorbei. Wichtigste Aufgabe des neuen Parteivorstandes soll es sein, die Position der SPD als stärkster Fraktion im Rat bei den Kommunalwahlen im September 2021 zu sichern.  Dazu hatten sich zunächst zwei Bewerber für eine „Doppelspitze“ gemeldet – der 26-jährige studierte Lehrer Adis Ahmetovic, derzeit persönlicher Referent von Ministerpräsident Stephan Weil in der Staatskanzlei, und die 69-jährige frühere Sonderschulrektorin Ulrike Strauch, die schon seit 1989 in der Parteiarbeit aktiv ist.

Ahmetovics Eltern waren 1992 aus Bosnien-Herzegowina nach Niedersachsen gekommen, er nennt sich „ein Arbeiterkind“ und ist im Sahlkamp aufgewachsen, keiner Vorzeigegegend Hannovers.

Dieses Team wurde dann vom 53-jährigen promovierten Historiker Marc-Dietrich Ohse herausgefordert, der in der DDR aufgewachsen ist und 1989 in Leipzig zum Neuen Forum stieß. Er ist seit fünf Jahren Geschäftsführer der SPD-Ratsfraktion in Hannover.

Eine Überraschungskandidatin sorgte für Spannung

Spannend wurde der Parteitag, weil sich noch am Abend zuvor die 36-jährige Polizeiverwaltungsangestellte Johanna Starke bereitfand, als Team-Kandidatin für Ohse anzutreten. Starke, die sich als alleinerziehende Mutter mit einer schwungvollen Rede für stärkere Frauenförderung einsetzte und frischen Wind verkörperte, gefährdete überraschend die zuvor verbreitete Siegesgewissheit des Tandems Ahmetovic/Strauch.

Doch am Ende ging es für die Favoriten dann doch gut, wenn auch nur mit hauchdünner Mehrheit. Beim Männerplatz setzte sich Ahmetovic noch mit 88 Stimmen mit 72 für Ohse klar durch, doch bei den Frauen war das Votum viel knapper – 84 für Strauch, 78 für Starke. Wenn vier Delegierte anders votiert hätten, hätten Ahmetovic und Starke sich die Parteiführung teilen müssen, obwohl sie vorher gar nicht zum gleichen Team zählten.

Doch die Frage, was in einem solchen Fall geschehen wäre, muss sich die SPD Hannover nun nicht stellen. In allen Reden, Grußworten und Berichten auf dem Parteitag schimmerte etwas anders durch – die Botschaft an die Mitglieder, sie sollten nach dem schlimmen Jahr 2019 „den Kopf nicht hängen lassen“ (Fahimi), bei parteiinternen Konflikten „sich mit offenem Visier begegnen und nicht hinten herum übereinander reden“ (SPD-Bezirkschef Matthias Miersch) und „endlich rauskommen aus der parteiinternen Fixierung der Debatte“ (SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil).


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Klingbeil war es auch, der die hannoverschen Genossen aufforderte: „Wischt die Umfragen weg, nehmt eine gerade Körperhaltung ein und hört auf, um Euch selbst zu drehen. Seid stolz auf das, was wir bisher geschaffen haben und war wir noch erreichen wollen.“ Der scheidende Stadtparteichef Kirci nannte die SPD „eine Wärmehalle“ und meinte, ihn habe die Zuversicht der Jubilare immer aufgerichtet, zumal die doch „viel schlimmere Zeiten“ durchlebt hätten. Die neue Ko-Vorsitzende Ulrike Strauch mahnte, die SPD in Hannover müsse parteiinternen Streit überwinden: „Es kann nicht sein, dass im Wahlkampf zwei Info-Tische nebeneinander aufgebaut werden, weil die einen SPD-Wahlkämpfer nicht mit den anderen reden wollen – und am Ende dann kaum ein Wähler kommt.“