Der Rundfunkrat des NDR kommt am Freitag zu einer historischen Sitzung zusammen, denn die Neuwahl eines Intendanten steht nicht oft auf dem Programm. Es wird mit einer breiten Zustimmung für den bisherigen NDR-Hörfunkchef Joachim Knuth (60) gerechnet, der für den Erfolg eine Zweidrittelmehrheit braucht.

Soll am Freitag zum Intendenten gewählt werden: Joachim Knuth – Foto: NDR

Der Verwaltungsrat hatte einen entsprechenden Vorschlag schon vor drei Wochen beschlossen – und weitere Bewerber gibt es nicht. Dies hat im Sender schon einige Diskussionen ausgelöst, ob denn die Personalauswahlverfahren transparent und nachvollziehbar genug seien – immerhin habe es ja beim SWR die Auswahl zwischen zwei Kandidaten gegeben. Vermutlich zum Jahreswechsel, wenn die zweite Amtszeit des bisherigen Intendanten Lutz Marmor (65) endet, wird Knuth die Führung des Senders übernehmen. Dann wird auch seine Stellvertretung geklärt sein, und sie ist es bisher nicht.

Formell ist Knuth selbst seit Kurzem Vize-Intendant. Die Suche nach der Nachfolge für dieses Amt fällt den Gremien des Senders erkennbar schwer. Das Anforderungsprofil steht fest: Es soll eine Frau sein, idealerweise soll sie im NDR schon eine leitende Position haben – und würde den Vize-Posten dann in Personalunion wahrnehmen. Allerdings drängt sich noch niemand auf.


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Das bisherige Duo an der Spitze des NDR zieht sich nun zurück. Vor wenigen Tagen erst hat die neue hannoversche Funkhauschefin Andrea Lütke ihr Amt angetreten, der bisherige Landespolitik-Chef im Bereich Fernsehen des Funkhauses, Thorsten Hapke, wurde Leiter des Programmbereichs Fernsehen. Der langjährige Funkhausdirektor Arno Beyer ist gleichzeitig in den Ruhestand verabschiedet worden. 2007, als Marmor gewählt worden war, hatten die Gremien des Senders gleichzeitig Beyer zu dessen Stellvertreter bestimmt. Das war seinerzeit auch die Folge einer politischen Debatte, die vom damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) losgetreten wurde. Dieser hatte beklagt, dass der von Hamburg aus gesteuerte NDR nach wie vor zu Hamburg-lastig sei – obwohl doch die meisten Hörer und Zuschauer in Niedersachsen wohnen.

Mit der formellen Aufwertung des niedersächsischen Funkhauschefs zum Vize-Intendanten sollte eine Stärkung des Niedersachsen-Einflusses einhergehen. In den Folgejahren waren dann auch keine Klagen über eine Hamburg-Dominanz mehr zu hören. Wie es heißt, will aber die Beyer-Nachfolgerin an der Funkhausspitze die Vize-Intendanz nicht anstreben. Lütke ist noch nicht lange in den Führungsgremien des Senders, sie wurde erst 2017 Fernsehchefin, ist nun seit 1. Juli Funkhausdirektorin und hat in den Jahren davor vor allem journalistisch gearbeitet.

Da die Stärkung der Frauen in Führungspositionen ein erklärtes Ziel des Senders ist, sucht der Verwaltungsrat nach einer weiblichen Bewerberin für die Vize-Intendanz. Das vorläufige Nein von Lütke müsste aber nun wahrscheinlich bedeuten, dass eine wichtige inoffizielle Aufgabe dieser Position – das Gewicht Niedersachsens im NDR zu erhöhen – wegfallen dürfte. Schwer vorstellbar ist, dass eine Frau in der Hierarchie unterhalb der Funkhauschefin in die Intendanz einrückt. Wenn nun die Funkhaus-Direktorinnen aus Mecklenburg-Vorpommern (Elke Haferburg) oder Hamburg (Sabine Rossbach) zum Zuge kämen, könnte dies in Hannover zu Recht als Affront gerügt werden.

Hat angeblich kein Interesse am Stellvertreter-Posten: Andrea Lütke – Foto: NDR

In die NDR-Führungsriege wird im nächsten Jahr eine Frau einrücken, die neue Verwaltungsdirektorin Ulrike Deike, eine ausgebildete Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin, die in Magdeburg geboren ist und in Hannover studiert hat. Sie arbeitet bisher bei einem Unternehmerverband in Hamburg. Womöglich kommt ihr Name nun in Betracht. Absolut unwahrscheinlich wäre der Aufstieg der profilierten Fernsehjournalistin Anja Reschke in die NDR-Führungsriege, obwohl sie zeitweise auch als Intendantin gehandelt wurde. Erst vor kurzem hat die 46-Jährige bereits einen neuen Job im Sender erhalten – sie leitet von August an den Programmbereich Kultur und Dokumentation beim NDR. Das ist in der Hierarchie noch ein paar Stufen zu tief, um Vize-Intendantin werden zu können.