Die drohenden Alarmzeichen einer Wirtschaftsdämpfung, begleitet vom Brexit, von einem möglichen Handelskrieg mit den USA oder von der Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung im Nahen Osten, sind in die neue Steuerschätzung noch nicht eingeflossen. Entsprechend verhalten präsentiert daher Finanzminister Reinhold Hilbers die neuen Zahlen, die ein weiteres Mal – wohl im achten Jahr in Folge – nach oben weisen. Verlässlich sind die Daten zwar schon, sagt der Minister, eine Garantie für eine gute Zukunft aber angesichts der Weltlage nicht. Die Steuerschätzer, die regelmäßig im Mai und im November die Wirtschaftsentwicklung begutachten und daraus eine Prognose über die erwarteten Einnahmen des Staates ableiten, gehen von kräftigen Mehreinnahmen aus. Unterm Strich sind es für das Land Niedersachsen 258 Millionen Euro in diesem Jahr und 322 Millionen im Jahr 2019, die noch einmal oben drauf kommen könnten. Die daran anschließenden drei Jahre sehen ein Plus von 419 Millionen, 498 Millionen und 598 Millionen Euro vor. Dabei ist allerdings Vorsicht angesagt, eine Steuerschätzung kann allenfalls für das aktuelle und das folgende Jahr relativ sichere Vorhersagen prägen, nicht aber für spätere Jahre.


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Was will er mit dem zusätzlichen Geld tun? „Die Notwendigkeit zu einem Nachtragshaushalt folgt aus diesen Summen nicht“, meint der Minister. Er wird also das Geld für 2018 zunächst als Einnahme in der Kasse verbuchen, wenn es denn überhaupt in dieser Größenordnung kommt. Die bisherigen Monate in diesem Jahr besagen nämlich, dass die erwarteten Steuereingänge unterschritten werden; aber solche Abweichungen in einigen Monaten sind normal. In einem Jahr wäre es dann möglich, überschüssiges Geld aus 2018 auszugeben. Für 2019 erleichtert das Plus die Beratungen, die im Kabinett bis Mitte Juni bevorstehen. Bisher, so heißt es, habe sich Hilbers als „harter Hund“ erwiesen, der viele Ausgabewünsche der Ministerien ablehnte. Mit der neuen Steuerschätzung für 2019, die dann Basis für den neuen Landesetat wird, wird der Spielraum etwas größer. Gerungen wird etwa über die Weideprämie, die Dünger-Lagerstätten, den Hochschulbau, die Krankenhausförderung und die Digitalisierung der Landesverwaltung. Hilbers sagte, wenn am Ende Geld übrig bleibe, werde man „einen Mix aus Investitionstätigkeit und Schuldenabbau“ damit möglich machen. Bisher hat das Land Altschulden von 61,3 Milliarden Euro, für die das Land jährlich an Schuldendienst 1,2 Milliarden Euro aufbringen muss.

Kommunen können auch mit Plus rechnen

Die tatsächliche Einnahmesituation des Landes ist vermutlich noch besser, als es in diesen Zahlen zum Ausdruck kommt. Denn der Minister erklärte, dass man für die geplante Glättung der kalten Progression im Steuerrecht – die auf Bundesebene geschieht – ebenso einen „Vorsorgebetrag“ eingeplant habe wie für andere Entscheidungen der Bundesregierung, die den Landesetat mittelbar belasten könnten. Das sind 2019 allein 175 Millionen Euro. Wie Hilbers außerdem hervorhob, könnten auch die niedersächsischen Kommunen mit einem deutlichen Plus rechnen – 135 Millionen in diesem Jahr, 140 Millionen im nächsten, Tendenz danach steigend. Christian Grascha (FDP) forderte die Landesregierung auf, den Schuldenabbau zu verstärken – wegen der dann verminderten Zinszahlungen bliebe genügend Geld, mehr in die Bildung zu investieren. DGB-Landeschef Mehrdad Payandeh warb für Investitionen in Infrastruktur, Wohnraum, Schulen und Kindergärten, sowie für ein Weihnachtsgeld für Beamte. Ulf Thiele (CDU) sieht hingegen „für zusätzliche Ausgaben keinen Spielraum“ und lobt, dass Minister Hilbers „Vorsicht walten lässt“. Dabei wird in den Stellungnahmen der Politiker nicht erwähnt, dass es dem Minister noch aus einem anderen Grund gelegen kommen dürfte, zusätzliche Mehreinnahmen zunächst mal zur Seite legen zu können – noch scheint intern nicht geklärt, auf welche Weise das Land zu einer Stützungsaktion für die Nord/LB gefordert sein könnte. Da würde es gut passen, wenn an verschiedenen Stellen im Landesetat zunächst einmal Reservepolster angelegt werden.