In zwei Jahren schon gilt, was das Haushaltsrecht der Länder angeht, eine quasi revolutionäre Regelung. Das Grundgesetz sieht vor, dass die Bundesländer dann keine neuen Kredite mehr aufnehmen dürfen. Für den Bund gilt das im Grunde auch, allerdings nur eingeschränkt. Die Länder hingegen müssen strikte Disziplin üben – was derzeit nur deshalb leicht fällt, da die brummende Konjunktur nun schon über mehrere Jahre kräftige Steuereinnahmen in die Kassen des Landes schleust. Der neue Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) fordert nun allerdings eine schnelle Verständigung auf eine Ergänzung der Landesverfassung. Auch dort solle eine Vorschrift zur Schuldenbremse verankert werden. In Wahrheit dient das allerdings nicht dazu, das im Grundgesetz ausgesprochene Kreditaufnahmerecht noch zu unterstreichen. Vielmehr wäre erst durch eine ergänzende Landesvorschrift die Chance erreicht, in Notsituationen auch von dem Neuverschuldungsverbot abzurücken, wenn auch nur zeitweise.

In Artikel 109 des Grundgesetzes heißt es, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen sind. Man könne aber Regeln zu einer „von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“ und für Naturkatastrophen treffen – wenn diese Ereignisse die staatliche Finanzlage „erheblich beeinträchtigen“ und sich der Kontrolle des Staates entziehen. Dazu müsse dann ein Tilgungsplan vorgelegt werden, der die Rückzahlung der Kredite regelt. Diese Formulierung kann so gedeutet werden, dass ein Land bei Verzicht auf eine Landes-Schuldenbremse keine Handhabe hätte, vom grundsätzlichen Neuverschuldungsverbot, das von 2020 an für alle Länder gilt, abzuweichen. Sieben Bundesländer haben bisher keine solchen Regeln, neun haben sich schon mit dem Thema befasst und eine Formulierung festgelegt. Hilbers will, dass nun zügig ein solcher Vorschlag beschlossen wird. Die Verständigung darüber dürfte nicht schwer fallen, da die Große Koalition die für Verfassungsänderungen nötige Zweidrittelmehrheit im Landtag problemlos aufbringen kann. Eine Verständigung mit Grünen, FDP und AfD ist also nicht nötig.

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Das Bild der Länder-Schuldenbremsen in der Bundesrepublik ist höchst unterschiedlich. Sehr knapp regeln es die Bayern, die bestimmen, dass Kredite „nur bei außerordentlichem Bedarf“ beschafft werden dürften – und dazu ein Gesetz nötig sei. Das eröffnet in der Praxis einen weiten Spielraum – ermöglicht also einer Landtagsmehrheit einen großen Spielraum für Neuverschuldung. Etwas einschränkender sind die Hamburger und Hessen. Auch hier wird der „außerordentliche Bedarf“ erwähnt, zugleich ist von „werbenden Zwecken“ die Rede. Das bedeutet, dass sich die Kreditaufnahme auf die Erhaltung und Sicherung des Landesvermögens ausrichten muss. Andere Länder gehen andere Wege. So legt Schleswig-Holstein fest, dass die Kreditaufnahme ein Drittel der Einnahmen des Vorjahres nicht übersteigen dürfe. In der Verfassung von Mecklenburg-Vorpommern heißt es, die zusätzliche Kreditaufnahme müsse bestimmt und geeignet sein, einer Störung oder Bedrohung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung zu begegnen. In der rheinland-pfälzischen Verfassung ist von einer „Aufrechterhaltung der Wirtschaftsführung“ des Landes und von Krediten maximal in der Höhe eines Viertels der Haushaltssumme die Rede – Kredite bei einer Konjunkturstörung dürften aber nur maximal vier Jahre lang aufgenommen werden. Sehr detailliert in der Beschreibung der Bedingungen für eine Schuldenaufnahme sind die Sachsen: Der Konjunktureinbruch, der eine Neuverschuldung rechtfertigt, muss hier eine Abweichung von der Normallage um mindestens drei Prozent ausmachen – und man dürfe mit Krediten maximal 99 Prozent der Einnahmen der vergangenen Jahre ausgleichen.

Spannend ist nun, wie konkret die Formulierung in Niedersachsen sein wird. Orientiert man sich an Bayern, hätte die jeweilige Landtagsmehrheit einen weiten Spielraum, in Sachsen sähe das ganz anders aus. Finanzminister Hilbers hat seine Wünsche schon erklärt: Der Grund für die Verschuldung solle „klar festgelegt werden“ (also anders als in Bayern), man wolle aber eine „schlanke Regel“ (wie in Bayern, anders als in Sachsen). Denkbar sei, so meint Hilbers, dass im Fall der Fälle in einem Ausführungsgesetz, nicht im Verfassungsartikel, klar beschrieben sein soll, wozu die Kreditaufnahme nötig sein soll.