SPD und Grüne bereiten gerade ihren Koalitionsvertrag für die nächste niedersächsische Landesregierung vor. Was soll dort drin stehen? Die Rundblick-Redaktion unterbreitet den Unterhändlern Vorschläge. Heute der achte Teil: Polizei und Justiz.

Fotos: Polizei Niedersachsen (3), Niklas Kleinwächter

Sicherheit spielte im Landtagswahlkampf eine herausgehobene Rolle. Versorgungssicherheit, Versorgungssicherheit, Versorgungssicherheit – so lautete das dominierende Schlagwort der vergangenen Monate. Schaut man in die Programme von Rot und Grün, gesellten sich dann auch mal die Planungssicherheit, soziale Sicherheit, die Rechtssicherheit, die Verkehrssicherheit, die IT-Sicherheit und andere Sicherheitsformen hinzu. Und natürlich: auch die innere Sicherheit. Doch welchen Stellenwert hat sie?



Es ist davon auszugehen, dass die Koalitionspartner mit je sehr unterschiedlichem Blick auf das Innenministerium und die Landespolizei schauen werden. Erbaulich ist deshalb das erwartbare Ergebnis, dass das Innenressort recht fest in SPD-Hand bleiben dürfte. Es ist nach den bisherigen Verlautbarungen davon auszugehen, dass Boris Pistorius die Führung des Hauses behalten wird. Doch mit den Grünen an der Seite dürfte die Auseinandersetzung über den richtigen Kurs in den Themenfeldern Polizei und auch Justiz eine andere sein als noch in der Großen Koalition.

Während beispielsweise die SPD den Kampf gegen Clankriminalität sehr ernst nimmt, machten sich die Grünen über die dazugehörige Kampagne der CDU regelmäßig lustig. Im Wahlkampf sorgte zudem die Grüne Jugend für Aufsehen, als sie eine Ausstellung mit dem Motto „Wen rufst du an, wenn die Polizei der Täter ist?“ organisierte. Auf der linken Seite der Grünen herrscht eine große Skepsis gegenüber dem Sicherheitsapparat vor, welcher sie in Regierungsverantwortung auch gerne nachgehen wollen. Noch gut in Erinnerung sind die Vorwürfe des vermeintlichen strukturellen Rassismus an die hiesige Polizei – befeuert durch Vorkommnisse in den USA. Dabei geht es um Ereignisse, die in Deutschland alles andere als üblich sind.

Boris Pistorius sitzt in einem neuen Polizeiwagen vom Typ VW ID.3. Der Innenminister bleibt bei der Polizei wohl auch in der neuen Legislaturperiode am Steuer. | Foto: Polizei Niedersachsen

Was Rot-Grün zeitnah deutlich zum Ausdruck bringen sollte, ist nun das Vertrauen in die Polizei und in die Integrität ihrer Mitarbeiter. Ein guter Anknüpfungspunkt wäre es dabei, wenn sich die Grünen-Spitzenkandidaten noch einmal sehr genau an ihre Wahlkampfveranstaltungen erinnern, die nicht zu knapp von Polizeieinsatzkräften gesichert wurden. Die Polizisten haben durch ihre Anwesenheit und ihre hochprofessionelle Arbeit den reibungslosen Ablauf des Grünen-Wahlkampfes (ebenso wie bei anderen Parteien auch) erst möglich gemacht. Bei allem, was Rot-Grün in der Polizeipolitik nun also anstößt, sollten sie stets an diese Szenen zurückdenken und sich dessen besinnen, dass die Beamten die Demokratie und den Rechtsstaat auch in brenzlichen Situationen verteidigen. Das verdient Respekt und Anerkennung, aber kein Grundmisstrauen.

Der Wahlkampfauftakt der Grünen wird im Hintergrund von der Polizei begleitet. | Foto: Kleinwächter

Außerdem sollte als nächstes ein Projekt angegangen werden, das die Sozialdemokraten recht prominent in ihrem Programm platziert haben – und das auch bitter nötig ist: eine Digitalisierungsoffensive. Die Ausstattung der Polizisten muss nicht nur für den normalen Einsatz optimal sein, dringend benötigt wird auch die bestmögliche digitale Infrastruktur. Modernste Analyse- und Auswertungssoftware verspricht die SPD in ihrem Programm genauso wie flächendeckend Diensthandys für alle Einsatzkräfte.

Die Grünen kritisierten in ihrem Programm wiederum, dass als Reaktion auf die zunehmende Cyberkriminalität und die digitale Kommunikation der Kriminellen einfach die polizeilichen Eingriffsrechte ausgeweitet worden seien. Sie wollen die Polizei deshalb lieber „angemessen“ ausstatten und ausbilden. Wie das konkret aussehen soll, soll eine „Strukturkommission“ klären. Hinter derlei neuen Gremien sollte sich die Koalition aber nicht allzu lange verstecken, sondern mutigen Schrittes die Dinge anpacken – und vor allem Geld investieren.

Tablets und Smartphones sind bei der Polizei in Niedersachsen bereits im Einsatz. Wirklich flächendeckend ist die Verfügbarkeit aber noch nicht. | Foto: Polizei Niedersachsen

Erste Vorschläge zur Modernisierung der Polizeiarbeit liegen derweil bereits auf dem Tisch. Es beginnt bei simplen Dingen wie Hardware. Die Diensthandys haben sich die Sozialdemokraten bereits vorgenommen. Aber auch Dienst-Laptops standen schon mal auf der „To-Do“-Liste und sind noch immer nicht flächendeckend einsatzbereit. Neben den Geräten muss dann auch die Software laufen. Beamte berichten von unklaren Zuständigkeiten und langen Vormittagen in Warteschleifen irgendwo zwischen IT-Niedersachsen und Zentraler Polizeidirektion.

Vielleicht wäre es sinnvoll, angesichts der steigenden Herausforderungen der digitalen Welt speziell für den besonders sensiblen Bereich der Polizei und der Justiz Support-Strukturen zu schaffen, die im Alltag flexibel erreichbar und in einer vermeintlichen Krise zu Spitzenleistungen in der Lage sind. Dazu sollte das Land auf dem ohnehin angespannten Markt der IT-Experten gezielt Personal anwerben und zusätzlich selbst ausbilden. Das vorhandene Personal muss zudem entsprechend (nach-)geschult werden.

Die Bodycam soll unter anderem Übergriffe auf Polizisten dokumentieren. | Foto: Polizei Niedersachsen

Die Digitalisierung bereitet auch nach fünf Jahren Masterplan immer noch viele Baustellen – und alle stehen sie nebeneinander. Aber vielleicht sollte gerade angesichts einer möglichen drohenden Versorgungskrise die Verletzlichkeit unserer Lebensgrundlage über digitale Einfallstore nicht zu nachlässig behandelt werden. Dazu muss die Polizei als Exekutivorgan des Staates modern, gut und flexibel ausgerüstet sein. Das sind die Kernaufgaben der inneren Sicherheit – und nicht etwa Diskussionen von der Art, ob man den Polizisten die Pflicht zum Tragen von Namensschildern auferlegen oder ihnen das Mitführen von Bodycams verbieten sollte.