Niedersachsens bekanntester Bauunternehmer ist sauer auf die Landesregierung – insbesondere auf Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU). Grund für den Ärger von Günter Papenburg ist eine Schlappe bei der Ausschreibung für das Megabauprojekt „Südschnellweg“ ausgerechnet in der Heimat des hannoverschen Konzerns, der mit etwa 4000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 900 Millionen Euro zu den größten deutschen Bauunternehmen zählt. Eine Tochterfirma der Unternehmensgruppe habe sich zwar um den lukrativen Bauauftrag beworben, aber trotz Abgabe des niedrigsten Gebots eine Absage erhalten. Nach Informationen der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ soll Papenburgs Angebot bei 353 Millionen Euro liegen. Die nächsten Angebote hätten bereits 394 und 426 Millionen Euro betragen. Im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick berichtet Papenburg, dass die Absage unter anderem mit fehlender Kompetenz beim Tunnelbau begründet worden sei.

Während der Bauzeit soll der Verkehr auf dem Südschnellweg über eine provisorische Brücke (gelbe Markierung) geleitet werden. Die alte Brücke wird dann abgebrochen. | Foto: NLStBV

„Das ist eine Ohrfeige für mich. Wenn jemand in Niedersachsen in der Lage ist, so etwas zu bauen, dann sind wir das“, ärgert sich der Unternehmer. Nach der Insolvenz der Philipp Holzmann AG, die 2002 pleite ging, habe der Papenburg-Konzern die Tunnelbauexpertise der ehemals größten deutschen Baufirma übernommen. „Beim Bau der ICE-Strecke Hannover-Würzburg war Papenburg an allen Tunnelbaustellen beteiligt“, sagt der 83-Jährige und verweist auch auf Bautätigkeiten seiner Unternehmensgruppe in Kasachstan und Usbekistan. „Und hier in Hannover vor der Haustür spricht man uns die Kompetenz ab“, ärgert sich Papenburg und wirft wiederum der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLSV) schwere Fehler vor. Die Behörde habe den Gesamtwert des Auftrags mit rund 250 Millionen Euro völlig falsch eingeschätzt. „So daneben zu liegen, das zeigt schon Unkenntnis“, kritisiert Papenburg. Die erhebliche Differenz zu den tatsächlich abgegebenen Geboten sei auch nicht mehr mit gestiegenen Baukosten zu erklären. „Wir haben schon richtig kalkuliert“, betont der Unternehmer. Als Grund dafür, warum die Papenburg-Tochterfirma ein niedrigeres Gebot als die vermeintlich erfahreneren Tunnelbauer und Mitbewerber aus Österreich vorgelegt hat, gibt er die kürzeren Wege an. „Ortsansässigkeit ist einer unserer Vorteile“, so Papenburg.

Die für die Ausschreibung zuständige Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLSV) will den Vorgang nicht kommentieren. „Wir sind mitten im Vergabefahren“, begründet NLSV-Sprecherin Heike Haltermann die Verschwiegenheit. Sie geht davon aus, dass das Verfahren nicht vor Oktober abgeschlossen wird. Und auch das niedersächsische Verkehrsministerium gibt keinen Kommentar ab. Für Beschwerden in einem Bieterverfahren sei die unabhängige Vergabekammer in Lüneburg zuständig und in letzter Instanz das OLG Celle, erläutert Ministeriumssprecher Eike Frenzel. Angeblich hatte der Bauunternehmer mit rechtlichen Schritten gedroht. Gegenüber dem Politikjournal Rundblick zeigt sich Papenburg nun zwar nicht mehr an einem Gang durch die juristischen Instanzen interessiert. Doch aufgeben will er nicht. „Das ist für mich aber noch lange nicht vorbei“, sagt Papenburg und fordert ein klärendes Gespräch mit dem Wirtschaftsminister. „Dass wir nicht angehört wurden, ärgert mich am meisten“, sagt er.

Aus Insider-Kreisen wurde am Mittwoch die Vermutung laut, dass sich die hannoversche Unternehmensgruppe wohl selbst durch einen formalen Fehler bei der Vergabe ins Abseits katapultierte. Möglicherweise sei es der Papenburg AG zum Verhängnis geworden, dass sich nur eine Tochterfirma für den Auftrag bewarb. „Unser Angebot setzt sich aus der ganzen Firmengruppe zusammen“, betonte zwar der Konzernchef gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Ob das aber auch der Landesbehörde bei der Angebotsprüfung deutlich wurde, ist fraglich. Klar ist eines: Der Umbau des 3,8 Kilometer langen Südschnellweg-Abschnitts zwischen Landwehrkreisel und Bahnüberführungen wird für den Bund viel teurer als erwartet. Das Bundesverkehrsministerium hatte die Gesamtkosten 2019 noch auf 360 Millionen Euro geschätzt. Diese Summe wird aber schon bei der ersten Auftragsvergabe klar überschritten.

Und auch die Grünen haben schon jetzt erhebliche Probleme mit dem neuen Südschnellweg: Weil für die Bundesstraße die Richtlinien für die Anlage von Autobahnen angewandt werden müssen, wird die Straße künftig zehn Meter breiter als bisher. Die Grünen-Spitzenkandidatin Julia Hamburg und der hannoversche Oberbürgermeister Belit Onay kritisieren das Projekt als „überdimensioniert“ und ärgern sich über Umweltschäden sowie die Nichtberücksichtigung eines Radwegs. Die Umwelt-Aktivisten der Gruppe „Ende Gelände“, die durch ihre Blockadeaktionen bundesweit bekannt sind, haben bereits entschlossenen Protest gegen das Bauprojekt angekündigt. Verzögerungen aufgrund von rechtlichen Streitigkeiten wegen des Vergabeverfahrens oder aufgrund von Demonstrationen kann sich das Projekt aber kaum leisten. „Die Verkehrsumlegung von der Hochstraße auf das Behelfsbauwerk muss spätestens am 31. Dezember 2023 stattfinden“, heißt es deswegen auch in der Ausschreibung. Ab dem nächsten Tag darf der marode Südschnellweg nicht mehr befahren werden. Ohne rechtzeitigen Ersatz würde im Süden der Landeshauptstadt ein Verkehrschaos drohen.