Die Industrie im Norden wünscht sich mehr staatliche Unterstützung bei der Wasserstofftechnologie. Laut Petra Klingenberg, Geschäftsführerin des Verbands Chemcoast, der die Interessen mehrerer Chemieunternehmen im Norden vertritt, wird der Bedarf an Wasserstoff in der Zukunft steigen. „Er wird heute meistens noch mithilfe von Gas hergestellt. Wir können uns aber auch vorstellen, auf Strom aus erneuerbaren Energien umzusteigen.“ Das sei aktuell für ein Industrieunternehmen um ein Vielfaches zu teuer und damit in keiner Form wirtschaftlich machbar. Ein Faktor seien dabei Steuern und Abgaben, die neue Projekte regelrecht ausbremsten. Zudem sei eine komplett neue Technik extrem teuer. Dabei sei die Industrie auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

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Bei Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies stößt die Industrie damit auf offene Ohren. Lies zufolge müssen Abgaben und Umlagen auf Energie so reduziert werden, dass neue Projekte begonnen werden können. Darüber hinaus müsse es monetäre Zuschüsse geben. Lies will mittelfristig raus aus der Projektecke und den Einsatz von Wasserstoff deutlich ausweiten. „Die Erfolgsaussichten des großtechnischen Einsatzes von Wasserstoff sind so nah wie noch nie. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen“, sagte Lies.

Es brauche eine Förderung, weil sich neue Technologien zu Beginn generell nicht rechneten. „Dabei muss man aufpassen, dass man es nicht überzieht. Das haben wir auch gelernt aus der Vergangenheit, wenn man zum Beispiel an die Photovoltaik denkt.“ Ziel müsse sein, dass es sich später wirtschaftlich selbst trage. Der Umweltminister kündigte eine Wasserstoffstrategie für Niedersachsen an. „Es darf nicht nur eine Stromwende geben. Wir müssen eine richtige Energiewende daraus machen. Und wer die Energiewende konsequent zu Ende denkt, kommt an Wasserstoff nicht vorbei.“

Industrie wünscht sich „erheblichen lenkenden Eingriff durch die Politik“

Die Industrie sieht jetzt die Politik am Zug. Das geht auch aus einem gemeinsamen Papier von Chemcoast und dem Beratungsunternehmen Ernst & Young hervor. Darin heißt es, erforderlich sei „in jedem Fall ein erheblicher lenkender Eingriff durch die Politik in Form von angemessener Regulierung und Anpassung der Anreize für Investitionen“. Die Industrie fordert, Pilotprojekte anzustoßen sowie klare und überprüfbare Ziele zu formulieren.

In Japan gebe es bei der Wasserstofftechnologie bereits heute erhebliche Investitionen in Kompetenz und Infrastruktur. Dabei seien die topografischen Voraussetzungen an vielen Orten der Welt für die Erzeugung, Nutzung und Lagerung von Wasserstoff  aus erneuerbarer Energie wesentlich günstiger. Norddeutschland wird als Paradebeispiel bezeichnet.

Wenn am Ende nur ein Datum herauskommt, dann hat die Kommission versagt.

Olaf Lies zur Kommission zum Kohleausstieg

Umweltminister Olaf Lies wünscht sich auch mehr Mut in Berlin. Dort sei in der Politik viel zu lange gezögert und darauf beharrt worden, dass sich solche Projekte rechnen müssten. Irritiert zeigte sich Lies auch über die neue Debatte über die Führung der Kommission zum Kohleausstieg. Er sei überrascht, dass die Bundesregierung schon wieder dabei sei, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Natürlich müsse die Kommission vom Wirtschafsminister und von der Umweltministerin gemeinsam geführt werden, sagte Lies und stärkte damit seiner Parteifreundin, Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Rücken.

Klar sei aber auch, dass es in der Kommission nicht allein darum gehen dürfe, aus der Kohle auszusteigen. „Es muss auch geklärt werden, wie eigentlich die Alternativen aussehen. Wenn am Ende nur ein Datum herauskommt, dann hat die Kommission versagt.“