Die radikalen Salafisten in Niedersachsen sind womöglich weit besser miteinander verwoben als bisher bekannt. Aus internen Unterlagen geht hervor, dass der 19-jährige Mohammed Hassan K., der aus Syrien stammt und in Hannover-Misburg gewohnt hat, Kontakt zu mindestens zwei Islamisten-Zentren in Niedersachsen hatte. K. verkehrte sowohl in der Moschee in der hannoverschen Nordstadt als auch in der Moschee des „Deutschsprachigen Islamkreises“ (DIK) in Hildesheim. Dort hatte er angeblich Kontakte geknüpft, die ihm bei der Ausreise in Richtung Naher Osten behilflich waren. Mittlerweile ist der Jugendliche, der ein enger Freund, womöglich sogar Auftraggeber für die hannoversche Messer-Attentäterin Safia S. war, vom Oberlandesgericht Celle verurteilt worden und inhaftiert. Die überraschenden neuen Hinweise auf Querverbindungen von K. über die Moschee in Hannover zu der in Hildesheim hatte der FDP-Politiker Jörg Bode gestern im Islamismus-Untersuchungsausschuss des Landtags erwähnt. Bode bezog sich auf Vermerke der Sicherheitsbehörden, die in den Akten des OLG-Prozesses gegen Safia S. und Mohammed Hassan K. enthalten sind. Diese Prozessakten hat der Untersuchungsausschuss inzwischen vom OLG bekommen. Mit seinen Kenntnissen konfrontierte Bode in der Ausschusssitzung den Zeugen, Innenminister Boris Pistorius. Der Minister verneinte, über die Beziehungen von K. etwas zu wissen: „Ich habe dazu keine konkreten Kenntnisse.“

Lesen Sie auch:

 

Mohammed Hassan K. steht im Verdacht, die minderjährige Safia S. zu dem Messerattentat auf einen Polizisten im hannoverschen Hauptbahnhof im Februar 2016 angestiftet, zumindest aber als Mitwisser agiert zu haben. Mit ihm stand Safia S., die im Übrigen auch zu IS-Führern Kontakte unterhielt, im engen Austausch. K. war den Ermittlern erstmals ins Visier geraten, als im November 2016 das Fußball-Länderspiel in Hannover abgesagt worden war. Der junge Mann aus Syrien hatte sich zuvor als Ordner im Stadion einteilen lassen. Dort soll er einen Mann gefilmt haben, der über den IS und Syrien sprach. Die Ermittlungen in dieser Sache sind eingestellt, einige Beobachter vermuten heute, die Drohungen rund um das Fußballspiel in Hannover, die über ausländische Nachrichtendienste an die deutschen Behörden herangetragen wurden, hätten ein Manöver des IS zur Verunsicherung der Bevölkerung gewesen sein können. Mohammed Hassan K. verkehrte oft im DIK Hannover, er soll später dann – wie aus den OLG-Akten offenbar hervorgeht – wiederholt im DIK Hildesheim gesehen worden und dort sogar tätig geworden sein. Auch in eine Schlägerei vor dem DIK soll er verwickelt gewesen sein.

Ist der Fall K. nun also der Beleg für eine doch sehr enge Vernetzung der salafistischen Zentren in Niedersachsen? Nach der bisherigen Darstellung im Untersuchungsausschuss sind die Aktivitäten in den Moscheen in Hannover, Hildesheim und Wolfsburg, wo rund 20 junge Leute an einer Ausreisewelle in den Nahen Osten beteiligt gewesen sein sollen, von der Polizei nur isoliert betrachtet worden. Der FDP-Politiker Bode sagte gestern dem Politikjournal Rundblick: „Die Frage ist, ob diejenigen, die zu den Moscheen in Hildesheim und Hannover Zutritt gesucht haben, ausreichend überprüft worden sind. Wenn man das gemacht hätte, wären Querverbindungen womöglich frühzeitig aufgefallen.“ Der CDU-Politiker Jens Nacke hatte gerügt, nach seiner Kenntnis habe die Polizei auch heute die Moschee in der hannoverschen Nordstadt noch nicht ausreichend im Blick. Pistorius hatte hingegen immer wieder erklärt, die Erkenntnisse, die zu einem Verbot des DIK Hannover führen könnten, reichten noch nicht aus. In der gestrigen Befragung räumte Pistorius ein, dass er zwar Moscheekontrollen ohne konkreten Anlass strikt ablehne, bei Hinweisen auf salafistische Aktivitäten Überwachungen derer, die diese Moscheen aufsuchen, durchaus möglich und auch sinnvoll seien.

In einem internen Vermerk des Innenministeriums wird deutlich, dass das Landeskriminalamt im Herbst 2015 Besucher der Moschee in Hildesheim kontrollieren wollte, das Ministerium diesen Vorschlag aber ablehnte. Pistorius erklärte dazu gestern im Ausschuss, erst viel später von dem Vorgang erfahren zu haben. Das LKA habe seine Absicht schon im Vorfeld aufgegeben, einen formalen Antrag für die Kontrolle der Moschee sei gar nicht gestellt worden. Im Übrigen räumte der Minister ein, es habe im Fall der Überwachung der Wolfsburger Islamistenszene „eine Schwachstelle in der Abstimmung zwischen Polizei und Verfassungsschutz“ gegeben.