Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Verhandlungen um den sogenannten Islamvertrag gehen jetzt laut Aussage von Ministerpräsident Stephan Weil in einer „weitere Phase des Gesprächs und der Diskussion“. Weil hatte sich am Morgen in der Staatskanzlei mit Vertretern von SPD, Grünen und FDP im Landtag getroffen. „Wir halten an dem Vorhaben fest, nehmen uns aber die Zeit, die notwendigen Diskussionen zu führen“, sagte Weil nach dem Termin. „Wir wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand.“

Es gebe Ängste und Befürchtungen sowie eine neue Diskussion um die Unabhängigkeit der muslimischen Verbände, erläuterte der Ministerpräsident. Konkret gehe es dabei um die Frage: „Regeln Niedersachsen in Niedersachsen ihre Verhältnisse?“ Man wolle jetzt die kritischen Fragen miteinander besprechen. Ein Vertragsabschluss noch in diesem Jahr sei unter den heute gegebenen Bedingungen nicht mehr realistisch.

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SPD-Fraktionschef Johanne Modder sagte, die Unruhe und die Unsicherheit in der Bevölkerung sei riesengroß. Es gebe eine Zuspitzung der Lage in der Türkei und durch den islamistischen Terrorismus. Deshalb brauche man noch Zeit, um weiter für den Vertrag zu werben. „Ich hoffe, dass sich die Lage wieder beruhigen wird und wir dann vielleicht wieder zur Normalität zurückfinden“, so die SPD-Fraktionsvorsitzende. Dann werden auch die Akzeptanz und Bereitschaft zur Diskussion auch wieder größer sein – sie schließt dabei die CDU mit ein, die aus den Gesprächen ausgestiegen war.

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Grünen-Fraktionschefin Anja Piel stellte fest, dass sowohl Landesregierung als auch SPD, Grüne und FDP den aktuellen Vertragsentwurf für unterschriftsfähig hielten. Sie hätte Sympathie dafür gehabt, die schwierige Situation in der Türkei schon mit einem beschlossenen Vertrag zu besprechen. „Ich erkenne aber, dass die aktuellen Bedenken auch bearbeitet werden müssen“, so Piel. Die anstehenden Gespräche seien ein guter Raum, um Kritikpunkte miteinander zu erörtern. Damit könne man den Verbänden den Weg in die Unabhängigkeit auch leichter machen.

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Niedersachsens FDP-Chef Stefan Birkner sagte, die Entwicklungen in der Türkei hätten die Frage nach der Unabhängigkeit der Vertragspartner in den Mittelpunkt gestellt. Er sieht die islamischen Religionsverbände in der Bringschuld. „Sie müssen jetzt ihre Verbindungen zum türkischen Religionsamt viel stärker transparent offenlegen.“ Nur mit einem viel größeren Maß an Transparenz könne der gesellschaftliche Rückhalt auch viel größer werden.

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Offen bleibt, wann der Islamvertrag nun verabschiedet werden kann. Während sich SPD-Fraktionschefin Modder nicht auf einen Zeitpunkt festlegen wollte, steht für FDP-Chef Birkner einem Vertragsabschluss noch in dieser Wahlperiode nichts im Wege. Ihm sei allerdings noch nicht klar, wie SPD und Grüne sich verhalten würden, wenn die CDU bei ihrer Ablehnung des Vertrags bleibe. (MB.)

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