Bisher nur regierungsinterne Quellen, die jetzt öffentlich werden, deuten auf massive Fehler und Versäumnisse der niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Vorgehen gegen gefährliche islamistische Gewalttäter im Jahr 2014. Besonders das Landeskriminalamt (LKA) und das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) geraten damit unter Druck. Nach Rundblick-Informationen hat das Innenministerium in einer Analyse von November 2015 festgestellt, dass es dem LKA an einem Problembewusstsein gemangelt habe. Die Ermittlungen seien „an manchen Stellen zögerlich, wenig konsequent und lückenhaft“ gewesen, hieß es angeblich in dieser Einschätzung. Nicht alle gegebenen Möglichkeiten, die die Behörden gehabt hätten, seien auch genutzt worden. Die Beschreibung betrifft den Umgang mit den Fällen von jungen Wolfsburgern, die nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind, um dort am „heiligen Krieg“ teilzunehmen. Insgesamt rund 20 Personen sollen dies in den vergangenen Jahren allein in Wolfsburg gewesen sein, und der konkrete Bericht bezieht sich auf zwei von ihnen – Ayoub B. und Ebrahim H.B. Diese beiden waren nach Deutschland zurückgekehrt und hatten sich im Herbst 2015 vor dem Oberlandesgericht Celle verantworten müssen. Sie waren verurteilt worden.

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Gegenwärtig beschäftigt sich der Islamismus-Untersuchungsausschuss des Landtags mit dem Fall, gestern hat dazu LKA-Präsident Uwe Kolmey in einer mehrstündigen Sitzung ausgesagt. Dass ausgerechnet die Fälle von Ayoub B. und Ebrahim H.B. nun einen Blick auf interne Vorgänge in den Sicherheitsbehörden ermöglichen, liegt an den Umständen des Gerichtsprozesses gegen die beiden Männer im Herbst 2015. Als damals Polizeibeamte als Zeugen vor Gericht über Fehler in den Ermittlungen berichteten, forderte Innen-Staatssekretär Stephan Manke (SPD) zwei Berichte an – einen vom LKA und einen vom Landesamt für Verfassungsschutz. Teile dieser Vorgänge sind jetzt dem Untersuchungsausschuss übermittelt worden. LfV-Präsidentin Maren Brandenburger fügte ihrem Bericht eine ergänzende Stellungnahme bei. Daraus wird deutlich, dass das Islamismus-Fachreferat des Verfassungsschutzes zunächst von „Hemmnissen und Missständen“ berichtet hatte – beim Personalbedarf, bei der Zusammenarbeit mit anderen Behörden und bei den Möglichkeiten der technischen Analyse. Die Behördenleitung aber widersprach dieser drastischen Einschätzung des Fachreferates. Somit bekam Manke offenbar nur eine entschärfte Form des Berichts.

Anders beim Landeskriminalamt, dort wurde zum „Ermittlungskomplex Sultan“, also den Wolfsburger Vorgängen, ein Bericht verfasst, der anschließend – im November 2015 – vom Fachreferat des Innenministeriums überaus kritisch beurteilt wurde. Diese Beurteilung ist eine vertrauliche Verschlusssache, aber nach Rundblick-Informationen kommt der Autor zu einer drastischen Einschätzung. Manche Darstellungen des LKA seien nicht logisch. Yassine O., der als Anführer der Wolfsburger Islamistenszene galt, sei unterschätzt worden. Als Ebrahim H.B. nach Deutschland zurückgekehrt sei, habe das LKA erst drei Wochen nach der Staatsanwaltschaft davon erfahren. Hätte man Ayoub B. mit einer besseren Überwachung früher festgenommen, so angeblich die Kritik, dann hätte man die Ausreise eines anderen Salafisten womöglich verhindern können. Es soll sogar der Hinweis angefügt sein, mit einem konsequenteren Vorgehen des LKA hätte man andere Islamisten von der Ausreise abhalten und damit Selbstmordattentate verhindern können.

LKA-Präsident Kolmey sagte gestern im Islamismus-Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen aus. Im Februar 2014 habe man verstärkt Hinweise von Wolfsburger Familien bekommen, dass Jugendliche in den heiligen Krieg ziehen wollten. Im April bezogen sich solche Informationen auch auf Ayoub B., wobei hinzugefügt wurde, dass dieser vermutlich erst Ende Juli das Land verlassen wollte, weil er zuvor eine Prämie seines Arbeitgebers kassieren wolle. Die Familie habe auch geäußert, sich selbst um Ayoub B. kümmern zu wollen. Dann war er aber Ende Mai doch plötzlich ausgereist. „Unsere Ermittler sind von der Ausreise überrascht worden“, erklärte Kolmey. Im August kehrte er zurück, wurde dann auch verhaftet. Mit ihm war auch Ebrahim H.B. auf dem Weg nach Syrien gewesen. Auf ihn war das LKA aber noch später gekommen; als sein Foto im Internet neben einer IS-Fahne entdeckt wurde. Auf Nachfragen konnte Kolmey im Ausschuss nicht berichten, inwieweit es im Umfeld der beiden Jugendlichen intensive Überwachungen oder Ermittlungen gegeben hatte.