Vom Ende der Corona-Pandemie will Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) nicht sprechen, doch sie blickt zuversichtlich auf die bevorstehenden kühleren Monate. Das Land befinde sich in einer guten Ausgangslage, sagte die Ministerin am Dienstag bei der Vorstellung der geplanten Schutzmaßnahmen für Herbst und Winter. Insgesamt könne von einem „Herbst der Achtsamkeit“ statt vom „Herbst der Beschränkungen“ gesprochen werden.

Niedersachsens Gesundheitsministerin erläutert den Corona-Fahrplan und spricht vom „Herbst der Achtsamkeit, nicht der Beschränkungen“ | Foto: Kleinwächter

Die nächste Corona-Verordnung, die ab dem 1. Oktober in Kraft treten soll, schreibt deshalb zunächst lediglich den bereits aus dem Sommer bekannten „Basisschutz“ fort. Abgesehen vom medizinischen Bereich, von Einrichtungen des Justizvollzugs sowie dem Personennahverkehr gelten weiterhin keine besonderen Schutzvorkehrungen. Genau genommen gibt es sogar eine Erleichterung: Im öffentlichen Personennahverkehr wird künftig keine FFP2-Maske mehr vorgeschrieben, es reicht dann ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz. Im Fernverkehr gilt allerdings weiterhin die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske.

Planung sieht zwei Eskalationsstufen vor

Bei einer Verschlechterung der Lage sieht der Plan der Landesregierung künftig zwei Eskalationsstufen vor. Dabei orientiert sie sich begrifflich an der Bundesregierung und spricht von „Winterreifen“ (Stufe 1) und „Schneeketten“ (Stufe 2), die dabei dienlich sein sollen, gut durch den Winter zu kommen. In Stufe 1 soll dann im ÖPNV wieder eine FFP2-Maskenpflicht herrschen, in öffentlichen Innenräumen, zu denen auch Supermärkte zählen, wird dann der medizinische Mund-Nasen-Schutz wieder vorgeschrieben, in Kindergärten und Schulen sollen die Beschäftigten ebenfalls eine OP-Maske tragen müssen, in der Gastronomie und im Kulturbereich gilt die Pflicht auch – allerdings mit einer Ausnahme für Genesene. Für das Gesundheitswesen ändert sich in dieser Stufe nichts, ebenso für Veranstaltungen im Außenbereich.

In Stufe 2 entfielen dann künftig die landesrechtlichen Ausnahmen für den medizinischen Bereich, wonach sich geimpfte und genesene Mitarbeiter nur zweimal pro Woche testen müssen. In Gemeinschaftsunterkünften etwa für Obdachlose würde in dieser Stufe eine Testpflicht eingeführt. Im Innenbereich öffentlich zugänglicher Einrichtungen sowie in der Gastronomie und im Kulturbereich würde in Stufe 2 eine FFP2-Maskenpflicht eingeführt, es müssten wieder Hygienekonzepte entwickelt und das Abstandsgebot eingehalten werden. In der Schule würde ab Klassenstufe 5 die OP-Maske verpflichtend, alle Beschäftigten in Kindergärten und Schulen hätten eine FFP2-Maske zu tragen und eine Testpflicht (zweimal pro Woche) würde eingeführt.

Trotz Indikatoren treten Stufen nicht automatisch in Kraft

Beide Stufen werden allerdings noch nicht in der nächsten Corona-Verordnung festgeschrieben, sondern sollen dann jeweils kurzfristig neu festgesetzt werden. Man hat sich im Kabinett für dieses Vorgehen entschieden, um anders als in der Vergangenheit aktuell eine möglichst schlanke, leicht zu verstehende Verordnung herausgeben zu können. Entscheidend für die Verschärfung der Maßnahmen soll künftig nicht mehr die Sieben-Tage-Inzidenz sein – auch weil die Belastung des Gesundheitssystems als Indikator bisher vor den Gerichten standhalten konnte. Die Stufe 1 soll eintreten, wenn die Sieben-Tage-Hospitalisierungsquote den Wert 15 überschritten und die Intensivbettenbelegung die 10-Prozent-Marke gerissen hat. Für Stufe 2 soll der erste Indikator oberhalb von 20 und der zweite oberhalb von 15 Prozent liegen. Zum Vergleich: Landesweit wies Niedersachsen am Dienstag eine Hospitalisierungsquote von 5,7 und eine Intensivbettenbelegung bei 2,6 Prozent aus.



Verfahrenstechnisch wird der Wechsel zu den beiden Stufen kein Automatismus mehr sein, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Für die erste Stufe muss das Land eine neue Corona-Verordnung herausgeben. Ministerin Behrens erläuterte, dass man dazu die Entwicklung der Zahlen gut im Blick behalten und die nötigen Schritte dann rechtzeitig einleiten werde. Inzwischen sei das Verfahren so eingeübt und in diesem Fall die Inhalte auch schon frühzeitig bekannt, dass sie davon ausgeht, innerhalb von fünf Tagen das Beteiligungsverfahren abgeschlossen haben zu können. Der Wechsel zur zweiten Stufe verlangt einen Beschluss des Landtags, der eine Notlage feststellen muss – notfalls per Sondersitzung, sagte Behrens.

Ministerin sieht fünf Gründe für gute Ausgangslage

Dass die Eskalationsstufen alsbald eintreten werden, erwartet die Ministerin allerdings nicht. Es gehe lediglich darum, bei einem guten Krisenmanagement alle Eventualitäten zu bedenken. Nun gelte es, „ein Stück Normalität zurückzuerobern“, sagte Behrens. „Die Situation ist seit Juli übersichtlich und unkritisch“, erklärte sie und lobte das landeseigene Monitoring, an dem sich die Krankenhäuser freiwillig beteiligen.

Fünf Gründe nannte die Ministerin für die aus ihrer Sicht günstige Ausgangslage: Die Grundimmunität sei aufgrund der hohen Impfquote relativ gut; vor allem in den vulnerablen Gruppen. Zudem habe die Sommerwelle zahlreiche Infektionen verursacht, die nun den individuellen Schutz durch eine bessere Immunantwort des Körpers noch verstärke. Die aktuelle Virusvariante sei bekannt und nicht für allzu ernste Verläufe gefürchtet. Die Impfstoffe schützten zusätzlich vor schweren Verläufen bei einer Infektion und ab Oktober käme ja der neue angepasste Impfstoff. Und zu guter Letzt sei mit „Paxlovid“ nun ein geeignetes Medikament verfügbar. „Es ist keine Überlastung des Gesundheitssystems zu erwarten, sofern es keine neue Virusvariante gibt“, erklärte Behrens.