Einer der Zuschauer, die der Debatte über die Bürgereingabe im Landtag auf der Besuchertribüne folgen, hatte sich als Julius Cäsar verkleidet. Dies sollte wohl ein Signal sein an die Abgeordneten, das Historische an dem Vorgang nicht auszublenden, der sich am Mittwochnachmittag hier abspielte. Genützt hat die Maskerade am Ende nichts. Eine breite Mehrheit im Parlament aus SPD, CDU, FDP und AfD hat entschieden, der vor 15 Monaten eingereichten Petition (unterstützt von fast 6000 Bürgern) nicht zu folgen.

Das Land greift damit ausdrücklich nicht in ein Verfahren ein, das seit langer Zeit bei der Region Hannover in der Schwebe bleibt und auf eine Entscheidung harrt: Soll auf einer 40 Hektar großen Fläche in Hemmingen-Wilkenburg, südlich der Landeshauptstadt, die Firma Holcim Kies abbauen dürfen? Wenn das geschieht, so befürchten die Autoren der Eingabe, drohen die Überreste des römischen Marschlagers, das sich an dieser Stelle befunden hatte, für immer und ewig verloren zu gehen. Der Kiesabbau gefährde die archäologische Arbeit, deshalb solle er untersagt werden – und zwar vom Land.


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Die Mehrheit aus SPD, CDU, FDP und AfD sah das anders. Editha Westmann (CDU) und Volker Senftleben (SPD) begründeten ihre Haltung: Die Sache sei Angelegenheit der Kommune, also der Region Hannover, das Land solle sich nicht einmischen. Seit 2012 erlaubt das Regionale Raumordnungsprogramm der Region Hannover für dieses Areal den Kiesabbau, drei Jahre später kam ein Antrag der Firma für diesen Zweck auf den Tisch. Wieder Jahre später wurde bekannt, dass hier einst ein Römerlager war.

Die Region zögert seit 2015 mit einer Entscheidung, wohl auch, weil von Denkmalpflegern und Archäologen aus der Region und aus dem zuständigen Landesamt unterschiedliche Botschaften laut geworden sind. Ist das Lager nun von historischer Bedeutung oder nicht? Bis zu 20.000 römische Soldaten sollen hier einst campiert haben, und zwar für mehrere Tage. Das muss etwa im Jahre 10 nach Christi Geburt gewesen sein. Hier könne es sich „um das erste nachgewiesene Marschlager in Niedersachsen aus jener Zeit“ gehandelt haben, sagte Senftleben im Landtag.

Klaus Wichmann (AfD) erklärte, die alte Schulweisheit, die Römer seien nur bei zum Rhein gekommen und nicht weiter nördlich ins Germanische Reich eingedrungen, werde mit dem Lager in Frage gestellt. Münzen und Überreste von Waffen und Ausrüstung sind in der Gegend gefunden worden, seit Jahren engagiert sich eine Bürgerinitiative für die Aufbereitung und Erforschung. Noch ist die Fläche von einem Feld überdeckt, noch lagern die vermutlich interessantesten Schätze unter der Ackerkrume. Die Bürgerinitiative verfolgte den Plan, über eine Landtagsentscheidung das Verfahren bei der Region zu stoppen – und auf diesem Weg zu verhindern, dass jemals an dieser Stelle mit einem Kiesabbau die archäologischen Funde gefährdet werden können.

Formalistische Begründung der Landtagsmehrheit

Dagegen bleibt die Landtagsmehrheit formalistisch: Ein ordentliches Verfahren, das noch nicht abgeschlossen ist, solle in seinem Ablauf nicht gestört werden. Es gebe keinen Grund, in die Abläufe einzugreifen. „Wenn man es doch tut, ist das populistisch“, sagte der AfD-Mann Wichmann, der selbst oft Populismus-Vorwürfen ausgesetzt ist, an die Adresse der Grünen. Auch Westmann und Senftleben meinten, man vertraue auf eine sachgerechte Prüfung durch die zuständigen Stellen bei der Region Hannover. Und wenn die Behörde in Hannover am Ende das Ja für den Abbau erteilen sollte, dann müsse der Antragsteller, also die Firma, 15 Prozent der nötigen Erkundungskosten tragen, betonte Senftleben. Ob das die Firma abschrecken kann?

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Der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Meyer hält diese Argumentation nicht für schlüssig. Was Senftleben meine, sei nur die Notbohrung, die relativ oberflächlich das Gelände untersuche. Er habe aber Zweifel, so erklärte Meyer gegenüber dem Politikjournal Rundblick, dass bei einer solchen Notbohrung überhaupt erkannt werden könne, um welche Bedeutung es sich beim alten Römerlager handele. Erforderlich seien vielmehr gründliche, moderne, mit dem Einsatz neuester Technik unterstützte Analysen und Überprüfungen. Denn gut möglich sei doch, dass erst bei jahrelanger intensiver Erforschung Dinge entdeckt werden, von denen man heute noch nicht ahnt, dass sie dort vorhanden sind. Ein Kiesabbau aber, so meinen die Grünen ebenso wie die Sprecher der Bürgerinitiative, zerstöre unwiederbringlich wichtige Zeugnisse der Vergangenheit.

Die Grünen fordern etwas ein, von dem sie genau wissen, dass das nichts bringt.

Die Grünen hätten sich deshalb einen anderen Weg gewünscht: Das Land solle bei der Änderung des Landesraumordnungsprogramms, die gerade vor ein paar Wochen angeschoben wurde, auch die Fläche in Hemmingen-Wilkenburg neu beschreiben – indem die Möglichkeit für Kiesabbau dort gestrichen wird. Dann, meinte Meyer, könne erst einmal eine zweijährige Änderungssperre für das Areal verhängt werden und man gewinne Zeit. Der drohende Kiesabbau sei dann erst einmal vom Tisch. SPD, CDU und AfD halten davon nichts. „Die Grünen fordern etwas ein, von dem sie genau wissen, dass das nichts bringt“, betonte Wichmann. Man könne nicht nachträglich die Rechtsgrundlage ändern, denn der Antragsteller für den Kiesabbau müsse auf das alte Raumordnungsprogramm vertrauen dürfen.

Obwohl die Zuhörer auf der Tribüne die Debatte still und aufmerksam verfolgten, kochten im Landtag die Emotionen hoch. „Ihr Auftritt passt in ein Freilichttheater und nicht in den Landtag“, raunte Westmann in Richtung Grüne. Dragos Pancescu, Grünen-Abgeordneter, antwortete später mit einem nicht weniger giftigen Angriff: „Offenbar wollen sie verhindern, dass die Geschichte Niedersachsens neu geschrieben werden muss.“ (kw)