Der Kinder- und Jugendpsychologe Michael Schulte-Markwort beklagt, dass sich eine immer stärkere Ökonomisierung schlecht auf die Gesundheit der Kinder auswirkt. „Alle unsere Werte sind heute komplett ökonomisiert. Dieses Steigerungsprinzip hat viele Werte hintenüberfallen lassen“, sagte er im Gespräch mit dem Rundblick am Rande des Bildungsforums, das gestern in Hannover stattfand. „Die Kinder wachsen damit auf, dass die Väter zuhause sagen: Ich muss mehr verkaufen, brauche mehr Rendite, ich muss mich steigern. Auch in den Unternehmen sind inzwischen alle Abläufe zertifiziert und transparent“, so Schulte-Markwort. Er ist ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

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Seit etwa fünf Jahren gebe es nun das  Phänomen des Burnouts im Kindes- und Jugendalter. „Ein Teil der Schüler kommt mit den hohen Anforderungen nicht zurecht“, stellte Schulte-Markwort fest. Der typische Fall sei das Mittelstandsmädchen aus der Akademikerfamilie. „Es sind eher Mädchen dafür anfällig. Sie sagen dann: Ich muss den Lebensstandard meiner Eltern unbedingt halten, und ich weiß nicht, ob ich das schaffe.“

Warnsignale für Eltern und Lehrer seien zum Beispiel Konzentrationsstörungen, ein Leistungsknick, Trauer oder Lustlosigkeit. Schulte-Markwort rät Lehrern, möglichst stressfreies Lernen und gute Motivation möglich zu machen. Eltern sollten wiederum auf keinen Fall den Fehler machen, ihre Kinder an der falschen Stelle vermeintlich zu entlasten. „Es hilft nichts, zu sagen: Hör doch auf mit dem Sport oder dem Chor. Man muss trennen zwischen guten und schlechten Stressquellen“, rät der Psychologe. Zudem sollten alle Familienmitglieder ihre Stundenpläne aufeinanderlegen. Die Kernfragen seien: Wer ist eigentlich wann zu Hause? Wann gibt es Inseln der Gemeinsamkeit und Phasen der Erholung?

Die sogenannten Helikoptereltern nimmt Schulte-Markwort in Schutz. „Ich plädiere für fürsorgliche, einfühlsame Eltern. Es gibt auch überfürsorgliche Eltern, die gab es aber schon immer.“ Eltern seien heute eher ratloser geworden, deshalb versuchten sie, mehr für ihre Kinder zu machen. „Dafür kann man sie aber nicht kritisieren.“

Auf dem Bildungsforum werden jedes Jahr besonders engagierte Lehrer für so genannte MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) geehrt. Die in diesem Jahr ausgezeichneten Lehrer arbeiten an der Hauptschule Damme, der Schillerschule Hannover, am Ratsgymnasium Osnabrück und an der IGS List in Hannover.