Die gute Nachricht zuerst: Den Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine geht es besser. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), das seit August 2022 jedes halbe Jahr ukrainische Flüchtlinge befragt, konnte in seiner letzten Studie melden: Die große Niedergeschlagenheit der jungen Menschen, die ihre Heimat, Freunde, Verwandte und oft auch den Vater zurücklassen mussten, hat sich ein wenig gebessert. Besonders bei Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren ist dieser Effekt spürbar.

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Insgesamt gehen 21.384 junge Menschen aus der Ukraine in Niedersachsen zur Schule. Diese Zahl ist seit Kriegsbeginn relativ stabil, berichtet das Kultusministerium. Anders als andere Bundesländer hat Niedersachsen nicht auf separate Willkommensklassen gesetzt, in denen zuerst Deutsch gelernt wird. „Im Sinne des interkulturellen Lernens und der Völkerverständigung“, so ein Sprecher des Ministeriums, sollen die Geflüchteten „möglichst in unser Schulsystem integriert werden“. Wie das Deutschlernen funktioniert, ist von Schule zu Schule sehr verschieden: Es gibt zusätzlichen Unterricht in „Deutsch als Zweitsprache“, Sprachlerngruppen, Peer-Unterstützung von anderen Schülern. Eine intensivere Betreuung – inklusive psychischer Stärkung und Orientierung im deutschen Alltag – ist in so genannten „Willkommensgruppen“ möglich. 1794 Schüler, also weniger als ein Zehntel der jungen Flüchtlinge, lernen niedersachsenweit in solchen Willkommensgruppen. Wichtig ist dem Kultusministerium allerdings auch hier, dass es tägliche Kontakte mit deutschsprachigen Schülern gibt, also zum Beispiel stundenweise eine Regelklasse besucht wird. „Mittlerweile sind die ukrainischen Schüler fester Bestandteil der Schulgemeinschaft geworden“, lobt das Kultusministerium. 

Kritischer sieht das der Philologenverband, der Berufsverband der Gymnasiallehrkräfte. „Ob die Integration gelingt oder nicht, hängt maßgeblich von den ukrainischen Schülerinnen und Schülern und deren Eltern ab“, kommentiert der Landesvorsitzende Christoph Rabbow: „Das Bemühen von Seiten der Mitschüler und der Lehrkräfte ist von Anfang an groß gewesen und das ist es bis heute.“ Seiner Erfahrung nach ist eine Minderheit der Flüchtlinge nicht bereit, sich zu integrieren. Sie ignorieren die Schulpflicht und bleiben mit Rückendeckung ihrer Eltern dem Unterricht fern. In Sachsen, erläutert Rabbow, wird Schülern die Möglichkeit eingeräumt, statt am deutschen Schulunterricht am Online-Unterricht in ihrer Heimat teilzunehmen. Niedersächsische Lehrkräfte hingegen müssen die Schulpflicht durchsetzen. „Dann sind aufwendige Klassenkonferenzen notwendig, um ein entsprechendes Verhalten durch Ordnungsmaßnahmen zu sanktionieren“, berichtet Rabbow. Den ukrainischen Unterricht dürfen Schüler in Niedersachsen nur als Zusatzangebot wahrnehmen. Nach der Studie des BiB macht ein Fünftel der Jugendlichen bundesweit davon Gebrauch, unter Gymnasiasten sind es weniger. Fast 4000 junge Flüchtlinge besuchen ein niedersächsisches Gymnasium. Die meisten ukrainischen Schüler der Sekundarstufe I sind auf Oberschulen zu finden (4431). Das entspricht in etwa der Verteilung in der Gesamtheit der Schüler. 

„Die Klassen wurden vergrößert, mehr Lehrkräfte für die zusätzlich zu unterrichtenden Kinder wurden allerdings nicht eingestellt“, kritisiert Christoph Rabbow. „Unser Wunsch bleibt es also mehr Lehrer einzustellen, natürlich auch Lehrkräfte aus der Ukraine.“ Fünfzig ukrainische Kollegen haben es bisher geschafft, im niedersächsischen Schuldienst angestellt zu werden. Zum Vergleich: In Hamburg waren es vor einiger Zeit schon 66. Hinzu kommen an niedersächsischen Schulen 393 pädagogische Mitarbeitende mit ukrainischem Pass. Hier sieht die GEW Verbesserungsbedarf, denn viele von ihnen sind bereits ausgebildete Lehrkräfte: „Das Scheitern an formalen Hürden führt dazu, dass die geflüchteten Lehrkräfte oftmals nur befristete Verträge als pädagogische Aushilfen erhalten. Das ist weder fair noch zielführend“, sagt der Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft, Stefan Störmer. „Wir dürfen sie nicht zu Lehrkräften zweiter Klasse machen oder als Hilfskräfte bezahlen, wenn wir die Fachkräfte im System halten wollen.“

Schule allein schafft noch keine Integration. Auch darauf weist die Studie des BiB hin: Mehr als die Hälfte der ukrainischen Kinder und Jugendlichen nimmt auch an außerschulischen Aktivitäten wie Sport, Musik oder Kunst teil. Und gerade diese Aktivitäten sind es, die einen positiven Einfluss auf ihre Gesundheit und ihre Stimmung haben.