Niedersachsens Kinder- und Jugendkommission fordert die Landesregierung auf, Freundeskreise von Jugendlichen bei künftigen Corona-Maßnahmen wie Familien zu bewerten. „Die Peergroup ist die Familie der Jugend“, erläuterte am Mittwoch Prof. Gunda Voigts, die Mitglied der niedersächsischen Kinder- und Jugendkommission ist und auch als Sachverständige am 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung mitgewirkt hatte.

Auf Freizeit mit Freunden mussten Jugendliche lange verzichten. Die Jugendkommission fordert deshalb, die Bedürfnisse von Jugendlichen in der Corona-Krise nicht zu vernachlässigen – Gruppen Foto: nemke

Vor Journalisten erklärte sie, dass Jugendliche Gleichaltrige als Reflexionsfläche für ihr Handeln bräuchten, unter anderem um ihre Selbstpositionierung vorzunehmen. Diese sei wiederum besonders wichtig, damit Jugendliche eine Haltung zu ihrer Umgebung, der Gesellschaft und letztlich der ganzen Welt entwickeln könnten. Voigts forderte zudem, aus demselben Grund die Sommerferien nun nicht zu „Lernferien“ oder einer „Sommerschule“ umzuwandeln. Die Jugendlichen bräuchten auch Freiräume, auf die sie während des Corona-Shutdowns weitgehend verzichten mussten.

Niedersachsen sei „deutliches Schlusslicht“

Die Professorin für den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg kritisierte in diesem Zusammenhang entschieden das Handeln der Landesregierung in Hinblick auf Lockerungen der corona-bedingten Beschränkungen. „Niedersachsen ist dabei deutliches Schlusslicht“, so Voigts. Man sei es in der Jugendarbeit gewohnt, dass man in der Politik nicht die oberste Priorität genieße. In der Hochphase der Corona-Pandemie sei die Jugendperspektive aber gänzlich von der Agenda gestrichen worden.

Beispielhaft verdeutlichte sie dies daran, dass überhaupt nur der Kultusminister über junge Menschen spreche – und diese dann aber „verzwerge“, indem er sie nur als „Schülerinnen und Schüler“ wahrnehme und adressiere. Dementsprechend seien dann auch die Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen an den Interessen der Jugendlichen vorbeigegangen. Während sich Erwachsene bereits wieder in Spielcasinos vergnügen durften, war es den meisten Jugendgruppen zur selben Zeit noch verboten, sich zu treffen.

Professorin fordert Respekt für Jugendliche

Die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen habe sich während des Shutdowns vorbildlich verhalten und die Einschränkungen ohne Proteste hingenommen, führte Voigts aus. Sie hätten damit „einen großartigen Beitrag zum Infektionsschutz geleistet“ und verdienten dafür Respekt, so die Wissenschaftlerin. In dieser Zeit hätten die jungen Menschen auf Abschlussfeiern, besondere Geburtstage, Konfirmationen, Bandauftritte und Jugendfreizeiten verzichtet – in der Summe also auf ihr „Recht auf Jugend“, sagte Voigts.

Zahlreiche Sommerfreizeiten fallen aus

Mit Blick auf die bevorstehenden Sommerferien verstärke sich das Problem nun noch. Nach Erhebungen, auf die sich die Kinder- und Jugendkommission stützt, hätte es in diesem Sommer wieder bis zu 7000 Freizeiten mit bis zu 30.000 Ehrenamtlichen geben sollen. Ein Großteil davon sei aber abgesagt worden, weil erst seit Freitag bekannt geworden sei, dass unter bestimmten Voraussetzungen doch Jugendfreizeiten erlaubt würden.


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„Jetzt versuchen die Verbände, doch noch etwas aus dem Boden zu stampfen“, berichtet Voigts und kritisiert die Landesregierung dafür, dass sie sich lange nicht dazu geäußert habe. Sicher sei in jedem Fall, dass in diesem Jahr weniger Jugendliche an Freizeit-Programm teilnehmen können. Derzeit erhebt die Kommission zudem die Höhe der Stornokosten, die aufgrund von abgesagten Freizeiten angefallen sind. Ob sich das Land an diesen Kosten beteiligen wird, wie etwa bei abgesagten Klassenfahrten, bleibt derweil unwahrscheinlich.