Auch in Niedersachsen hat die Debatte über ein Paritätsgesetz enorm an Fahrt gewonnen. Sollen die Regeln für die Landtags- und Kommunalwahlen so verändert werden, dass am Ende mehr Frauen in die Parlamente einziehen können? Die SPD hat sich strikt dafür ausgesprochen, die Grünen befürworten diesen Weg ebenso.

Zu wenig Frauen im Landtag? Parteien und Parlament diskutieren über Frauen-Quoten. – Foto: nkw

Offiziell hat sich CDU-Generalsekretär Kai Seefried zwar skeptisch gezeigt, aber in der Union gibt es auch starke Stimmen für eine Reform, etwa in der Frauen-Union. Das Thema wird in dieser Woche, wenn am Freitag der internationale Frauentag gefeiert wird, wieder eine wichtige Rolle in vielen Reden spielen. Wir stellen die verschiedenen Möglichkeiten, ihre Vor- und Nachteile gegenüber:

Das Reißverschlussverfahren auf den Listen: Das in Brandenburg beschlossene Gesetz sieht vor, den Parteien vorzuschreiben, auf den Landeslisten immer abwechselnd eine Frau und einen Mann zu platzieren. In der Bundesrepublik sind bereits SPD, Grüne und Linke dazu übergegangen, sich auf dieses Modell zu verpflichten – allerdings freiwillig über ihre jeweils eigenen Statuten. Die CDU wendet seit Jahren die „Drittel-Parität“ an, unter je drei Plätzen auf jeder Liste muss mindestens eine weibliche Bewerberin sein. Ein gesetzlich vorgeschriebener Wechsel zwischen Mann und Frau auf den Listen der Parteien schränkt allerdings die im Grundgesetz garantierte freie Willensbildung der Parteien ein, ebenso das Recht der freien Wahl. Deshalb ist fraglich, ob diese Vorgabe der Verfassung entspricht. Befürworter der Regel entgegnen, Artikel 3 des Grundgesetzes schreibe seit 25 Jahren die Förderung der Gleichberechtigung vor. Verfassungsrechtler müssten dann entscheiden, welches Gut stärker wiegt, der Auftrag zur Geschlechtergleichstellung oder die Freiheit der Parteien.

Die Tandem-Wahlkreise: Da bei Bundestags- und Landtagswahlen nur ein Teil der Abgeordneten über die Landeslisten in das Parlament kommt, ein anderer aber über die Wahlkreise, gibt es auch für Wahlkreise einen Reformvorschlag. Es geht um sogenannte „Tandem-Lösungen“: Je Wahlkreis würde nicht nur ein Abgeordneter gewählt werden, sondern zwei – ein Mann und eine Frau. Neben dem verpflichtenden Reißverschlussverfahren für die Listen wäre so garantiert, dass der Frauenanteil im Parlament 50 Prozent erreicht. Bei dieser Lösung gibt es zwei Schwachpunkte, einen rechtlichen und einen politischen. Rechtlich würde auch hiermit die freie Willensbildung der Parteien und die Freiheit der Wahl eingeschränkt werden. Politisch käme das Problem hinzu, dass die Fläche der Wahlkreise verdoppelt, ihre Anzahl aber halbiert werden müsste – wenn das ausgewogene Verhältnis von Direkt- und Listenmandaten in etwa gewahrt bleiben soll. Jeder Wahlkreiszuschnitt ist aber ein hoch umstrittener Akt, da von der Zuordnung der Wohngebiete abhängt, welche voraussichtliche politische Mehrheit bei einer Wahl dabei herauskommt. Gerade zwischen SPD und CDU, die bisher die meisten Wahlkreise gewonnen haben, ist eine neue Grenzziehung stets ein besonderes Ärgernis. Wegen der beiden Einwände ist diese Variante, die Sozialministerin Carola Reimann schon als ihre Favoritin bezeichnet hat, höchst unwahrscheinlich.

Die quotierten Wahlkreis-Kandidaturen: Deutlich milder als vorgeschriebene Tandem-Wahlkreise ist ein Modell, das kürzlich die hannoversche Jura-Professorin Frauke Brosius-Gersdorf im Rundblick-Interview empfohlen hat – und das etwa von der schleswig-holsteinischen Gleichstellungsministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) unterstützt wird: Die Parteien sollen verpflichtet werden, je Wahlkreis zwei Bewerber aufzustellen, einen Mann und eine Frau. Der Wähler jedoch wählt am Ende nur einen Kandidaten. Damit wird zwar ein 50-Prozent-Anteil von Frauen in den Parlamenten nicht sichergestellt, wohl aber erleichtert. Denn immerhin bekommen die Wähler damit zwangsläufig ein größeres Personalangebot an Kandidatinnen. Auch dieses Modell würde in die freie Willensbildung der Parteien eingreifen, jedoch weniger stark als ein verpflichtender Tandem-Wahlkreis. Die Wahlkreise müssten auch nicht neu zugeschnitten werden, was die Durchsetzbarkeit des Modells enorm erhöht. Außerdem wären die Auswahlchancen der Wähler vergrößert, womit die Wahl an sich für die Wähler attraktiver würde. Allerdings schränkt dieses Modell die Planbarkeit der Parteien ein: Eine Favoritin oder ein Favorit für einen Wahlkreis hätte nicht mehr – wie bisher – nur Konkurrenten in anderen Parteien, sondern zudem auch noch in seiner eigenen. Das könnte intern Unfrieden säen.

Die quotierten Landeslisten-Kandidaturen: Passend zu den quotierten Wahlkreis-Kandidaturen gibt es auch ein Modell für die Landeslisten, das auf die jetzt im Brandenburger Landtag beschlossene strikte gesetzliche Vorgabe – abwechselnd Mann/Frau – verzichtet. Die von Prof. Brosius-Gersdorf im Rundblick ausgeführte Überlegung lautet, jeder Partei vorzuschreiben, so viele weibliche wie männliche Bewerber auf ihre jeweilige Liste zu schreiben. An welchem Listenplatz die Namen stehen, ist demnach unerheblich Die Wähler sollen dann aber die Chance bekommen, auf der Liste einen beliebigen Kandidaten herauszupicken und anzukreuzen. Gewählt sind hinterher die Bewerber in der Reihenfolge der meisten Kreuze auf der Liste, gemessen an der Zahl der Mandate, die der jeweiligen Partei zustehen. Auch diese Variante erhöht die Möglichkeiten der Wähler enorm, hat allerdings für die interne Personalrekrutierung der Parteien erhebliche Nachteile: Parteitage und Aufstellungsversammlungen könnten nur noch begrenzt über die Platzierung auf der Landesliste Karrieren zu steuern. Der Kampf um die guten Listenplätze wäre dann auch vorbei, weil Listenplätze keine entscheidende Rolle mehr spielen würden. Für die Parteien ist das mit höheren Risiken verknüpft, sie hätten es nicht mehr in der Hand, bestimmte Leute zu fördern oder andere zu bremsen oder mit schlechten Listenplätzen abzustrafen. Außerdem würde das bedeuten, dass die Stimmzettel größer würden – die Wähler müssten sämtliche Landeslisten aller Parteien bei der Wahl vorgelegt bekommen.

Die „Frauenstimme“: Die quotierten Landeslisten-Kandidaturen lassen sich gut auf die Kommunalwahlen in Niedersachsen übertragen, weil es dort schon jetzt die Chance für jeden Wähler gibt, seine Stimmen auf einzelne Bewerber zu verteilen. Bei Kommunalwahlen käme in dem Modell nur die Auflage hinzu, gleich viele Männer wie Frauen als Kandidaten anbieten zu müssen. Sozialministerin Carola Reimann (SPD) hat kürzlich im Rundblick-Interview eine Variante für die Kommunalwahl ins Gespräch gebracht, die sie „Frauenstimme“ nennt: Neben der Möglichkeit, einzelne Bewerber auf den Listen zu wählen, solle es die Chance geben, eine „Frauenstimme“ für die entsprechende Partei anzukreuzen. Dann würden die abgegebenen Frauenstimmen bei der Auszählung am Ende gleichmäßig auf die weiblichen Bewerber der jeweiligen Liste anteilig verteilt werden. Diese Variante ließe sich sogar durchsetzen, wenn man vorher den Parteien nicht vorschriebe, genauso viele Männer wie Frauen zu nominieren. Es müsste je Liste nur mindestens eine Frau antreten. (kw)