Es ist eine etwas ungewöhnliche Premiere: Unter dem Titel „Flüchtlingspolitik als Aufgabe und Herausforderung niedersächsischer Kommunen“ trafen sich gestern im hannoverschen Rathaus Vertreter der kommunalen Verwaltungen und Integrationsvereinen, um sich über erfolgreiche Projekte bei der Integration von Flüchtlingen in ihren Heimatstädten und Gemeinden auszutauschen.  Dazu eingeladen hatten die drei kommunalen Spitzenverbände und der Flüchtlingsrat. „Das ist außergewöhnlich, denn bisher – vor allem um den Herbst 2015 – bestand unser Verhältnis zu den Kommunen hauptsächlich aus Kritik an einzelnen Maßnahmen im Umgang mit Flüchtlingen“, sagt Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats, im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Kritische Auseinandersetzungen führten beide Seiten zwar immer noch, doch sie hätten auch festgestellt, dass ihre Sichtweisen gar nicht so verschieden seien. „In den Kommunen wird viel Großartiges geleistet, aber da die einzelnen Städte und Gemeinden über unterschiedliche Mittel verfügen, ist es sehr schwer, ein allgemeines Konzept zur Integration von Flüchtlingen zu entwickeln“, sagt Weber. Das Treffen solle daher eine Gelegenheit sein, eine Art Mosaik aus Beispielprojekten zusammenzustellen, wie Integration gestaltet werden kann. Das Treffen ist aber auch ein Signal an die Landespolitik: In den Kommunen sei man bei der praktischen Umsetzung der Flüchtlingsintegration schon viel weiter als die gesetzlichen Rahmenbedingungen es vorsehen. Die Landesregierung müsse daher aufholen, damit die politische Theorie nicht zum Hindernis für die Praxis wird.

Ein Hauptanliegen der kommunalen Spitzenverbände ist dabei die Integrationspauschale. Im Koalitionsvertrag haben SPD und CDU festgehalten, eine solche regelmäßige Zahlung an die Kommunen prüfen zu wollen. Allerdings gebe es bisher kein Konzept dafür. Die Kommunen wollen die Zahlung dazu verwenden, um feste Strukturen für die Integration von Flüchtlingen aufzubauen und zu finanzieren. „Ehrenamt braucht Hauptamt“, fasst Joachim Schwind, Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistags, zusammen. Integration von Flüchtlingen in eine Gemeinschaft beruhe zu einem großen Teil auf dem Engagement Ehrenamtlicher. „Die Integration ist aber ein langfristiger Prozess, und um den am Laufen zu halten, brauchen wir feste Strukturen und jemanden, der das organisiert.“ Ein Gemeindebüro könne das nicht leisten. „Die Strukturen sind in vielen Kommunen auch schon da, aber gerade die finanziell klammen Städte und Gemeinden haben Schwierigkeiten, sie fortzuführen“, sagt Günter Schnieders vom Niedersächsischen Städtetag.

Ein anderer Punkt ist die Entwicklung des Wohnungsmarkts in Niedersachsen. „Wir loben den Vorstoß von Bauminister Olaf Lies, das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum ins Leben gerufen zu haben“, sagt Schwind. Doch hier muss bald etwas passieren. „Partizipation und Teilhabe sind nur möglich, wenn die Flüchtlinge auch in einer Wohnung leben können und nicht in einer Sammelunterkunft ausharren müssen“, sagt Laura Müller vom Flüchtlingsrat. Die aktuelle Lage des Wohnungsmarkts gebe das allerdings nicht her. „Und die Aussichten stehen noch schlechter, wenn nicht rasch viele neue Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen gebaut werden.“ In den meisten Städten und Gemeinden sei gerade der Wohnraum, den man mit einem kleinen Gehalt oder staatlicher Unterstützung beziehen kann, nahezu ausgeschöpft. „Das Land muss Konzepte vorlegen, wie es schnell genug sozialverträglichen Wohnraum schaffen will“, sagt Schwind.

Wie das unkonventionell geht, hat der Bürgermeister der Samtgemeinde Sögel im Landkreis Emsland auf der Tagung präsentiert und die Organisatoren nachhaltig beeindruckt. Die Bürger und Institutionen dort hatten 2015 eine Genossenschaft gegründet und rund 1,4 Millionen Euro zusammengetragen. Von diesem Geld und einem Kredit wurden mittlerweile drei Häuser gebaut und eines gekauft, die Wohnungen darin an Flüchtlinge oder Deutsche mit schmalem Budget vermietet. „Das ist bundesweit einmalig“, sagt Schwind.