Am Montag ist internationaler Frauentag. Der Landesfrauenrat, eine überparteiliche Institution aus 60 Organisationen, in denen landesweit 2,2 Millionen Frauen organisiert sind, fordert klare Signale von der Politik: Mit eindeutigen Vorgaben soll erreicht werden, dass mehr Frauen in den politischen Gremien mitwirken – und dass Frauen in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes von Land und Kommunen besser vertreten sind. Die Vorsitzende Marion Övermöhle-Mühlbach und ihre Stellvertreterin Barbara Hartung äußern sich im Interview mit dem Politikjournal Rundblick.

Fotos: privat; rb

Rundblick: Vom Paritätsgesetz, nämlich der Überlegung, das Frau-Mann-Reißverschlussverfahren für die Aufstellung von Listen zur Landtagswahl vorzuschreiben, redet derzeit kaum jemand. Ist das Thema in der Versenkung verschwunden?

Övermöhle-Mühlbach: Nach wie vor besitzt das Thema hohe Aktualität. Die Diskussion über eine geschlechtergerechte Besetzung der Parlamente wird in diesem Super-Wahljahr sicher weiter an Dynamik gewinnen. Die Konferenz aller deutschen Landesfrauenräte, die im Juni virtuell unter Federführung des Landesfrauenrates Niedersachsen stattfindet, wird sich intensiv gerade mit diesem Thema beschäftigen. Auch wird die Forderung nach einem Paritätsgesetz sicher ein Element unserer Wahlprüfsteine für die Landtagswahl 2022 werden.

Der niedrige Frauenanteil in den deutschen Parlamenten, gemessen am Bevölkerungsanteil, ist beschämend.

Rundblick: Aber in Ihrer eigenen Partei, der CDU, scheint die Reformbereitschaft nicht so ausgeprägt zu sein…

Övermöhle-Mühlbach: Das ist ein langer Prozess, sicher. Aber ich stelle bei vielen meiner Parteifreunde große Nachdenklichkeit fest. Klar ist doch auch: Der niedrige Frauenanteil in den deutschen Parlamenten, gemessen am Bevölkerungsanteil, ist beschämend. Wenn die politisch interessierten Frauen merken sollten, dass bestimmte Parteien bei diesem Thema bremsen, wenden sie sich anderen, frauenfreundlicheren Parteien zu. Und was die CDU anbelangt: Auch ohne gesetzliche Bestimmungen wird intern intensiv darum gerungen, die Repräsentanz von Frauen in Wahlkreisen und auf vorderen Listenplätzen zu verstärken.

Rundblick: Haben Sie Vorstellungen, wie ein Paritätsgesetz in Niedersachsen aussehen könnte?

Övermöhle-Mühlbach: Leider ist hier bisher noch keine Bewegung der Großen Koalition in diese Richtung erkennbar. Wir bedauern das sehr – und betonen, dass auch die aktuelle deutsche Rechtsprechung durchaus Raum für solche Vorhaben lässt. Wenn es einige Juristen anders darstellen, haben sie die Urteile nicht richtig gelesen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss zu der Wahlprüfungsbeschwerde über das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 eine sich aus dem Grundgesetz ergebende Verpflichtung des Gesetzgebers zum Erlass eines Paritätsgesetzes verneint. Es hat aber zugleich ausgeführt, dass dem Gesetzgeber bei der Umsetzung des Gleichstellungsauftrags ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe. Anderen Ländern wie Frankreich (bereits 2000) und Spanien (2007) sind entsprechende Regelungen bereits gelungen, die zu Frauenanteilen von mehr als 40 Prozent in den Parlamenten geführt haben. Die EU-Kommission und auch das EU-Parlament haben wiederholt betont, dass die Unterrepräsentanz von Frauen ein Demokratiedefizit darstelle. Deshalb ist die Diskussion über Paritätsgesetze auch in Deutschland verstärkt zu führen.

Aufgabe der Parteien ist, Frauen gezielt zur Mitwirkung aufzufordern, gezielt nach ihnen zu suchen.

Rundblick: Wie kann man die Politik noch mit anderen Schritten so verändern, dass sie für Frauen attraktiver wird?

Hartung: Aufgabe der Parteien ist, Frauen gezielt zur Mitwirkung aufzufordern, gezielt nach ihnen zu suchen. Die Motivation von Frauen, in Parteien und dann auch in Parlamenten auf allen Ebenen mitzuwirken, ließe sich weiter steigern, wenn die Rahmenbedingungen parlamentarischer Arbeit insbesondere auf kommunaler Ebene an die Lebenswirklichkeit gerade junger Mütter und Väter angepasst würde. Lange, in den Abend weit hineingehende Sitzungen mit weitschweifigen Diskussionen sind nicht attraktiv oder motivierend. Hier kann man einiges ändern.

Rundblick: Mehr Online-Sitzungen beispielsweise?

Övermöhle-Mühlbach: Ja, das ist ein gutes Beispiel. Vor der Corona-Pandemie kam das gar nicht in Frage, inzwischen haben viele von uns auch in der Arbeitswelt und der Verknüpfung mit dem Home-Office gemerkt, dass es durchaus funktioniert. Das sollte man auch in der Politik verstärkt nutzen – auch nach Ende der Corona-Krise. Die Voraussetzungen werden ja gerade verbessert. Und warum sollten nicht auch Parteigremien stärker diesen Weg wählen? Die Mär, dass die wichtigen Dinge nach dem offiziellen Teil beim Glas Bier geregelt werden, kann doch kein überzeugender Einwand dagegen sein.

Rundblick: Auch über eine Stärkung der Frauen in Unternehmensvorständen wird heftig diskutiert. Wie ist hier Ihre Position?

Hartung: Der Landesfrauenrat Niedersachsen begrüßt sehr, dass das „Führungspositionengesetz II“ nunmehr in den Bundestag eingebracht ist und hoffentlich zügig verabschiedet wird. Damit wird die Beteiligung von Frauen in Vorständen gestärkt. Auch die Regelungen zur Besetzung von Gremien in bundeseigenen Unternehmen überzeugen; hier geht die öffentliche Hand mit gutem Beispiel voran. Entsprechende Regelungen sollten auch in die Novelle des niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes aufgenommen werden.

Rundblick: Stichwort Gleichberechtigungsgesetz: Die geltende Regelung sieht eine Soll-Vorschrift vor: In den Bereichen der öffentlichen Verwaltung des Landes und der Kommunen, in denen Frauen in führenden Positionen unterrepräsentiert sind, soll bei der Einstellung gleich gut geeigneter Bewerber die Frau den Vorzug bekommen. Sie möchten das Gesetz gern verschärfen. Wie sollte das geschehen?

Hartung: Es ist aus Sicht des Landesfrauenrates höchste Zeit, dass das NGG an die gängigen Standards angepasst wird, wie sie sich aus dem Bundesgleichstellungsgesetz sowie anderen Ländergesetzen ergeben. Deshalb erwarten wir eine zügige Beratung und Verabschiedung des novellierten NGG noch in dieser Wahlperiode. Eine Möglichkeit wäre, die Ziele des Gesetzes, nämlich die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen der Verwaltung zu beseitigen, deutlicher hervorzuheben. Man kann auch stärker mit dem Instrument der Zielvorgabe arbeiten.

Rundblick: Irgendwie scheint die Große Koalition bei dem Thema nicht voranzukommen…

Hartung: Dann hoffen wir mal, dass die neue Sozialministerin, die ja für dieses Thema bisher auch in der Bundesregierung an entscheidender Stelle mitgewirkt hat, neuen Schub in die Sache bringt.