Als während der Corona-Pandemie auf einen Schlag ganze Schlacht- und Zerlege-Betriebe ihre Arbeit einstellen mussten, weil das Virus unter der Belegschaft kursierte, sorgte das in Niedersachsens Ställen für Probleme. Der damals auftretende „Schweinestau“ offenbarte, wie anfällig ein System, das auf große, zentralisierte Schlachteinheiten setzt, im Krisenfall sein kann. Unter anderem deshalb hat es sich die rot-grüne Landesregierung zur Aufgabe gemacht, das Volumen der dezentralen Schlachtkapazitäten hochzufahren – es soll also viel mehr kleine Schlachtereien geben und weniger Abhängigkeit von den riesigen Anlagen der Fleischindustrie.

Rot-Grün wünscht sich in Niedersachsen weniger große und noch mehr kleine Schlachtbetriebe. | Foto: GettyImages/industryview

Zudem heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir streben an, dass die Schlachtstätten für alle Tiere aus Niedersachsen innerhalb einer maximalen Transportdauer von vier Stunden zu erreichen sein sollten, und setzen uns für eine bundeseinheitliche Begrenzung von Tiertransporten auf vier Stunden ein.“ Um dies zu erreichen, sollen regionale, dezentrale Schlachthöfe sowie mobile Schlachteinrichtungen gefördert werden.

Diese Zielbekundung veranlasste die CDU-Landtagsfraktion dazu, einmal konkreter nachzufragen, wie sich die Landesregierung den Umbau der Schlachthöfe-Struktur vorstellt. In der Antwort auf eine „kleine Anfrage“ des Abgeordneten Hartmut Moorkamp blieb das Agrarministerium allerdings noch recht vage. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Anzahl der künftig benötigten Schlachtstätten und deren Kapazitäten noch nicht bestimmbar, heißt es. Es wird jedoch betont, dass eine regional ausgerichtete Wertschöpfungskette und eine dezentrale Schlachtstättenstruktur sowohl im Sinne des Tierwohls sei, als auch dem gesellschaftlichen Wunsch nach regionaler Erzeugung Rechnung tragen würde.

Wo genau neue Schlachthöfe errichtet werden müssten, um dieses Ziel zu erreichen, will das Ministerium aber nicht selbst festlegen. Man verweist stattdessen darauf, dass sich regionale Erzeuger und regionale Schlachtbetriebe zusammenschließen müssten. Moorkamp sieht nach diesen Aussagen seine Vermutung bestätigt, dass die Landesregierung noch keinen konkreten Plan hat, wie sie ihr aus seiner Sicht durchaus lobenswertes Ziel erreichen möchte. Die Entwicklung sei derzeit eine andere: Immer weniger Fleischer schlachten noch selbst, weil die Auflagen zu hoch seien, das Fachpersonal fehle und Schlachtbetriebe in der Nachbarschaft gesellschaftlich nicht gewollt seien.

86 Prozent der Schlachthöfe sind bereits Kleinbetriebe

Wie sieht nun die Schlachthöfe-Struktur in Niedersachsen aktuell aus? Derzeit gibt es laut Auskunft des Landesagrarministeriums insgesamt 299 zugelassene Schlachtbetriebe, die mitunter mehrere Tierarten verarbeiten. 210 Betriebe schlachten Rinder, in 218 Betrieben werden Schweine geschlachtet. Nur 19 Schlachthöfe verarbeiten Geflügel, 167 hingegen nehmen sich Schafen und Ziegen an. Farmwild wird von 38 Betrieben geschlachtet, um Einhufer wie Pferde und Esel kümmern sich sechs Betriebe und ein einzelner Schlachter ist auf Kaninchen spezialisiert.

Von den 299 Schlachtbetrieben werden 25 zu den Großbetrieben gezählt mit einer Schlachtkapazität von mehr als 50 Tonnen Lebendgewicht pro Tag. Weitere 18 Betriebe zählen zur mittleren Größe, dort werden täglich zwischen einer halben und 50 Tonnen Lebendgewicht Geflügel oder vier bis 50 Tonnen einer anderen Art geschlachtet. Die größte Gruppe bilden auch jetzt schon die Kleinbetriebe, deren Kapazitäten unterhalb der eben genannten Größenordnung liegen. 256 dieser kleineren Schlachthöfe gibt es in Niedersachsen.

„Da lange, anstrengende Transporte der Tiere entfallen, tragen sie zur Stressminimierung bei und mindern so die Belastungen der Tiere. Eine Schlachtung vor Ort unterstützt außerdem die regionale Wertschöpfung.“

Miriam Staudte, Landwirtschaftsministerin

Seitdem die Europäische Union im vergangenen Jahr die Möglichkeit mobiler oder teilmobiler Schlachtungen erleichtert hat, setzt auch die niedersächsische Landespolitik auf diesen Weg. Dabei werden die Tiere beispielsweise auf der Weide betäubt und in einem Anhänger mit speziellen Vorrichtungen aufgehängt und entblutet. Dem Tier bleibt damit der vermeintlich unangenehme Transport zum Schlachthof erspart. „Mobile Schlachtungen haben gleich mehrere positive Effekte“, lobt Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne). „Da lange, anstrengende Transporte der Tiere entfallen, tragen sie zur Stressminimierung bei und mindern so die Belastungen der Tiere. Eine Schlachtung vor Ort unterstützt außerdem die regionale Wertschöpfung.“



Allerdings sind die Bedenken bei den Landwirten nach wie vor groß. Der Aufwand und die Kosten für die Verwaltung, die Hygienemaßnahmen und den Tierarzt seien noch recht hoch, heißt es seitens des niedersächsischen Landvolks. Das Land Niedersachsen fördert derweil Investitionen, die der regionalen Verarbeitung und Vermarktung dienen. Seit Anfang des Jahres gibt zudem das Bundesagrarministerium Fördergelder für Startups, Hochschulen oder Forschungseinrichtungen, die sich mit Innovationen beim mobilen Schlachten beschäftigen. Staudte ist zuversichtlich, dass das von Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) vorgestellte Bundesprogramm den in Niedersachsen forcierten Prozess flankieren könne.


Grüne wollen Gebührenordnung ändern: Die Grünen setzen sich zusammen mit der SPD dafür ein, dass die Gebührensätze nach der Größe der Schlachthöfe gestaffelt werden – zumindest mit Blick auf Zusatzgebühren, die Kommunen festlegen. Das Ziel sei, so Fraktionschefin Anne Kura, die kleinen Betriebe wettbewerbsfähiger zu machen gegenüber den großen Schlachthöfen. Ein Weg könne sein, die Gebührenordnung zu ändern – das müsse dann aber auf Bundesebene geschehen.