Auch im vergangenen Jahr konnten die Richter an Niedersachsens Sozialgerichten mehr Fälle bearbeiten als neu hinzugekommen sind. Damit setzt sich ein Abwärtstrend fort, der 2013 begann, weil die Sozialgerichte schrittweise mehr Personal vom Land zugebilligt bekommen hatten. So schrumpft nicht nur die Arbeitsbelastung der einzelnen Richter, die Verfahren können in erster Instanz auch schneller abgeschlossen werden. Damit das aber so bleibt, fordert Peter Heine, Präsident des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, mehr Kontinuität im Personal. „Wir haben festgestellt, dass die Gerichte, an denen die Verantwortlichen selten wechseln, effizienter arbeiten“, sagte er gestern bei der Vorstellung der Jahresbilanz in Celle. Denn diese seien mit vielen Vorgängen und Handhabungsweisen schon vertraut, während neue Richter sich immer erst in die Materie einlesen müssten. Auch in der zweiten Instanz am Landessozialgericht ist es den Richtern in den vergangenen beiden Jahren gelungen, den Gesamtbestand der Berufungsanträge zu verkleinern. Das geschah allerdings weitaus weniger als an den acht Sozialgerichten in Niedersachsen. „Um diesen Bestandüberhang von etwa 2000 Verfahren am Landessozialgericht mittelfristig abzubauen, brauchen wir einen zusätzlichen Senat“, fordert Heine.

Nachdem die Sozialgerichte 2013 einen Spitzenstand von 50.698 Fällen bearbeiten mussten, hatte Heine Unterstützung beim Justizministerium gesucht. Die damalige Landesregierung reagierte und billigte insgesamt 13 neue Richterstellen, verteilt auf mehrere Jahre. Das Resultat zeigt sich nun seit einigen Jahren in den sinkenden Fallzahlen.  Gingen im vergangenen Jahr 36.476 neue Anträge bei den Sozialgerichten ein, konnten die Richter 39.352 Anträge als erledigt verzeichnen. Die Zahl der laufenden Gesamtverfahren sank dadurch um fast 3000 auf 43.220 Fälle. Hatte jeder Richter also vor fünf Jahren noch rund 430 Verfahren jährlich zu bearbeiten, sind es jetzt nur noch etwa 350 Verfahren.

Im Durchschnitt vergehen 16 Monate, bis ein Verfahren abgeschlossen werden kann. Dieses Mittel wird vor allem von den medizinischen Verfahren beeinflusst, bei denen in der Regel mehrere Gutachter gehört werden müssen und sich dadurch die Verfahrensdauer stark verlängert. In der zweiten Instanz sind es dagegen bei den normalen Berufungsverfahren knapp 19 Monate bis zum Abschluss. Eine Zahl, mit der Heine gar nicht zufrieden ist. „Hier müssen wir schneller werden, aber dafür brauchen wir einen zusätzlichen Senat, um mehr Fälle abarbeiten zu können.“ Diesen Wunsch hat Heine auch schon der neuen Justizministerin Barbara Havliza vorgetragen. Ob es in Celle aber bald einen 13. Senat geben werde, sei noch unklar. „Die Haushaltsplanungen der Landesregierung für die Justiz laufen zurzeit noch“, sagt Heine.

Ein Großteil der Fälle, die bei der Sozialgerichtsbarkeit eingehen, sind nach wie vor Angelegenheiten, die sich um Grundsicherungsleistungen für Arbeitslose wie Hartz IV drehen. „Diese machen etwa 42 Prozent aller Sozialgerichtsverfahren in Niedersachsen aus“, sagt Heine. In der zweiten Instanz stellen Sozialleistungsfälle mit 36 Prozent noch knapp ein Drittel dar. Der zweitgrößte Bereich sind die Fälle zur gesetzlichen Krankenversicherung, diese Verfahren machen 18 Prozent aus. In 13 Prozent der Verfahren geht es hingegen um Streitigkeiten zur Rentenversicherung. Allerdings sei der Eingang von Verfahren mit Bezug zur Arbeitslosenhilfe gesunken, sagt Heine. Das habe mehrere Gründe. Zum einen seien die Jobcenter mittlerweile so routiniert bei der Erteilung von Leistungen nach den seit 2005 geltenden Hartz-Gesetzen, dass es kaum noch zu Zahlungsausfällen komme. Zum anderen habe die Justiz die Rechtsgrundlage schon in vielen Fällen konkret ausgelegt, sodass viele potenzielle Kläger ihren Antrag wegen mangelnden Erfolgsaussichten schon zurückzögen, bevor er überhaupt auf dem Schreibtisch der Richter lande.