Seit der vergangenen Woche hat der russische Propaganda-Sender „Russia Today“ zwar seinen Sendebetrieb in Deutschland eingestellt und auch „Sputnik TV“ ist längst von der EU verboten worden. Doch Desinformation und Fake News bleiben wichtige Waffen des Kremls im Krieg gegen die Ukraine und den Westen – und dazu brauchen sie gar keine Sendelizenz in Europa, solange es das Internet gibt. Die niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung beschäftigt sich schon seit ihrer Neugründung 2017 schwerpunktmäßig mit Falschmeldungen und Verschwörungsmythen. Inhaltlich ging es dabei zunächst eher um Themen wie Asyl und Flüchtlinge oder zuletzt vielfach um die Corona-Politik.

Mithilfe von „Russia Today“ verbreitet Wladimir Putin seine Fake News auch im Ausland. | Foto: Kreml

Auch wenn sich durch die gezielte, gesteuerte Desinformation die Dimension des Ganzen nun geändert hat, bleibt es ein Grundproblem der digitalen Welt, das permanent mitläuft. Die Grundtaktiken und Mechanismen sind dauerhaft dieselben, weshalb sich die staatliche Einrichtung dafür entschieden hat, das Problem nicht an Inhalten aufzuhängen, sondern an Kompetenzen. Erst kürzlich hat die Landeszentrale für politische Bildung deshalb einen neuen Schwerpunkt-Bereich zu Fake News und Verschwörungsmythen auf ihrer Online-Plattform politische-medienkompetenz.de veröffentlicht.

Auf der Plattform www.politische-medienkompetenz.de bietet die Landeszentrale für politische neben Hintergrundinformationen auch Materialien und Konzepte für die Bildungsarbeit mit dem Themenschwerpunkt „politische Bildung in der digitalen Welt“. | Foto: LpB

„Durch Krisen entsteht erhöhter Deutungsbedarf“

„Gerade in Krisenzeiten häufen sich Verschwörungserzählungen und Fake News“, schreiben Lea van der Pütten und Marika Przybilla-Voß auf der Internetplattform. „Durch Krisen entsteht ein erhöhter Deutungsbedarf. Die Menschen suchen nach Antworten und klar benennbaren Schuldigen, um dem Gefühl des Kontrollverlusts entgegenzuwirken.“ Traf dies schon für die Corona-Krise, verstärkt es sich gerade in Kriegszeiten noch mehr, da Informationsquellen unzugänglich sind und teilweise unabhängigen Berichterstattern der Zugang verwehrt wird. Um gezielten Falschinformationen nun angemessen begegnen zu können, bedarf es nach Auskunft der Expertinnen zunächst zweierlei: Wissen über die Zusammenhänge sowie ein Bewusstsein für ihre Existenz und die dahintersteckende Problematik.

„Nicht nur Faktenwissen ist gefragt, sondern auch ein Gespür für die Wortwahl des Gegenübers“, führen van der Pütten und Przybilla-Voß aus. Ist der Zweifel geweckt, müssten im zweiten Schritt die Quellen überprüft werden. „Dies erfordert eine Medienkompetenz, die trainiert werden kann“, meinen die Expertinnen und listen mehrere Fragen auf, die man sich als kritischer Leser im Netz stellen sollte – etwa, ob es mehr als nur eine Quelle für eine Information gibt oder ob die Meldung inhaltliche oder logische Widersprüche beinhaltet.

Begegnet man dann Falschmeldungen oder Verschwörungsmythen, sei es „vor allem wichtig, dass die jeweilige Aussage nicht unwidersprochen im Raum stehenbleibt“, erklären die Expertinnen. Sie fordern dazu auf, Haltung zu zeigen. Als Tipp geben sie mit auf den Weg, das Gegenüber nicht bloßzustellen oder zu belehren, sondern zum Nachdenken anzuregen. Fragen zu stellen sei dabei meist gewinnbringender, als mit Fakten dagegenzuhalten. Dies brauche zum einen Mut, zum anderen auch ein Gespür dafür, in welcher Umgebung man mit welchem Duktus antworten sollte. In den Sozialen Medien ist ein anderer Ton angebracht als im Familienumfeld oder auf der Arbeit. Um die entsprechende Medienkompetenz zu trainieren, bietet die Landeszentrale für politische Bildung zwei separate Workshops sowohl zu Fake News als auch zu Verschwörungsmythen an.

Journalistenverband DJV kritisiert Medienanstalt

Am vergangenen Mittwoch hat der deutsche Ableger von „Russia Today“ (RT DE) seine Verbreitung eingestellt. Vorausgegangen war ein längerer Streit zwischen der zuständigen Medienanstalt Berlin Brandenburg (MABB) und dem Propagandasender. Das Unternehmen hatte ein erstes Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro erst mit Verzögerung gezahlt, weitere Zwangsgelder in Höhe von 40.000 und 50.000 Euro hat der Sender aber ignoriert – und muss sie nun vorerst auch nicht mehr begleichen.

„Es besteht die Gefahr, dass damit auch die aufkeimende Diskussion um die Wirksamkeit von Sendeverboten der Medienaufsicht erledigt ist. Dabei müsste sie unbedingt geführt werden“, sagt DJV-Sprecher Hendrik Zörner nach der Einstellung des Sendebetriebs bei Russia Today. | Foto: DJV

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) kritisiert diesen Vorgang scharf. „Es besteht die Gefahr, dass damit auch die aufkeimende Diskussion um die Wirksamkeit von Sendeverboten der Medienaufsicht erledigt ist. Dabei müsste sie unbedingt geführt werden“, schrieb DJV-Sprecher Hendrik Zörner in einem Kommentar. Er sieht einen dringenden Handlungsbedarf, der durch diesen Fall noch einmal offensichtlich geworden sei. Denn zum einen seien fünfstellige Zwangsgelder „ein Witz für Sender, die von Staaten finanziert werden“, so Zörner. „Zum anderen war bis zum Schluss nicht klar, welches Bundesministerium eigentlich für die Durchsetzung des Sendeverbots zuständig ist: das Wirtschafts- oder das Justizministerium?“ Zörner fordert, dass sich das ändern müsse. „Denn einen Propagandakanal eines autoritären Regimes kann es jederzeit wieder geben.“