Die seit Jahren hohe Auslastung der Frauenhäuser in Niedersachsen ist ein Problem, da sind sich alle Landtagsfraktionen einig. Was man jedoch tun soll, teilt die Geister. Dennoch erlebte der Landtag zu diesem Thema gestern eine ausgesprochen konstruktive Debatte. Unmut erregte lediglich die AfD, die die Förderung für Frauenhäuser in Relation zu den Ausgaben des Landes für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge stellte. Die AfD hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, nachdem der NDR berichtet hatte, dass mehr als 2600 Frauen im vergangenen Jahr abgewiesen werden mussten, weil es trotz Notlage für sie keinen Platz im Frauenhaus gab.

Originär kommunale Aufgabe

„Diesen Zustand können wir nicht akzeptieren“, sagte etwa die CDU-Abgeordnete Petra Joumaah. Schließlich gehe es hierbei um misshandelte Frauen, die „unseren Schutz brauchen.“ Zumal die deutschen Behörden durch die 2014 in Kraft getretene Istanbul-Konvention dazu verpflichtet seien, Frauenhäuser einzurichten und Unterbringungsmöglichkeiten für weibliche Opfer von häuslicher Gewalt zu schaffen. Joumaah betonte allerdings, dass die AfD auf dem Holzweg sei, wenn sie die Verantwortung für die Lage der niedersächsischen Frauenhäuser dem Land zuschiebe. „Das ist eine originär kommunale Aufgabe.“ Das Land könne die Einrichtung und den Betrieb von Frauenhäusern fördern, aber nicht selbst in die Hand nehmen. Allerdings gebe es hier noch Nachsteuerungsbedarf. „Es gibt viele Landkreise, in denen es gar kein Frauenhaus gibt. Das muss sich ändern.“ Ähnlich argumentierte die AfD-Fraktionsvorsitzende Dana Guth und sprach sich für den von Sozialministerin Carola Reimann ins Gespräch gebrachten Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus aus.

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Innenminister Boris Pistorius, der für die erkrankte Sozialministerin vertrat, warnte jedoch davor, die Zahl der abgewiesenen Frauen und damit die Situation der einzelnen Frauenhäuser zu pauschalisieren. Zum einen liege die Auslastungsquote der Frauenhäuser im Schnitt bei 70 Prozent. Das bedeute, dass einige Frauenhäuser, insbesondere in Städten, kontinuierlich überlastet seien, während auf dem Land häufiger Betten frei blieben. Zudem sei nur ein kleiner Teil der Frauen tatsächlich wegen Überfüllung abgewiesen worden. Viele hätten dagegen die Kriterien nicht erfüllt, weil sie Drogenprobleme oder männliche Kinder über zwölf Jahren bei sich hatten. Oder weil sie in dem Frauenhaus nahe ihrem Wohnort nicht sicher gewesen wären.

Datenbank oder „Ampel-System“ soll freie Zimmer zeigen

Die Grünen-Sprecherin Imke Byl kritisierte diese Haltung. „Hier wird das Problem seziert, anstatt diesen Frauen Unterstützung zu zeigen und sich um eine kurzfristige Lösung zu bemühen.“ Ihre Fraktion habe daher zusätzliches Geld für die Einrichtung von Schutzwohnungen gefordert, in der von häuslicher Gewalt betroffene Frauen sofort und für kurze Zeit untergebracht werden könnten. Auch eine Datenbank oder ein „Ampelsystem“, aus denen die aktuell freien Plätze in Niedersachsens Frauenhäusern abzulesen sind, könne kurzfristig helfen. Generell sprach sich Byl für den Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus aus, denn dann müssten sich Kommune, Land und Träger auf eine verbindliche Finanzierung einigen. Das mahnte auch Sylvia Bruns von der FDP an. „Kommunen tun gerne so, als sei die Einrichtung eines Frauenhauses eine freiwillige Leistung“, sagte die Abgeordnete. Das habe man schon bei Jugendhilfeeinrichtungen gesehen. „Aber Kommunen müssen sich darum kümmern, dass von Gewalt bedrohte Frauen sicher untergebracht werden.“

Angespannter Wohnungsmarkt verschärft Problem

Wie viele und wo die Plätze knapp sind, das werde derzeit in einem Modellprojekt analysiert, sagte Thela Wernstedt (SPD). Sie betonte, dass es nicht unbedingt mehr Frauenhäuser bedarf, um das Problem dauerhaft zu lösen. „Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt hat erheblichen Einfluss auf die Situation in den Frauenhäusern“, sagte sie. Denn weil die Frauen mit ihren Kindern häufig keine Wohnung fänden, belegten sie die Zimmer im Frauenhaus weiter, obwohl sie eigentlich keiner Hilfe mehr bedürfen. „Wir müssen deshalb den Wohnungsmarkt entzerren“, sagte Wernstedt. „Doch bevor wir nur fordern, sollten wir erst einmal schauen, an welchen Stellen das bestehende System ergänzt werden kann.“