Die Höhe der Beamtenbesoldung in Niedersachsen ist in der derzeitigen Form sehr wahrscheinlich nicht verfassungsgemäß. Zu dieser Einschätzung war vor Monaten auch die Landesregierung gekommen. Doch der Vorschlag für eine Gesetzesänderung zur Behebung dieses Mangels, der von der SPD/CDU-Koalition schon vor Wochen auf den Weg gebracht wurde, hat selbst erhebliche Tücken. Der Vertreter des „Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes“ im Landtag, der alle Vorstöße einer juristischen Überprüfung unterzieht, warnte unmissverständlich in der Landtags-Haushaltsausschusssitzung am gestrigen Mittwoch: „Wir sehen in dem Gesetzentwurf der Landesregierung erhebliche verfassungsrechtliche Probleme.“ Er fügte hinzu: „Bei dem Versuch, ein grundgesetzrelevantes Problem zu lösen, wird ein neues geschaffen.“ Trotz der Bedenken plant die SPD/CDU-Koalition aber weiterhin, die Gesetzesänderung in der Parlamentssitzung übernächste Woche endgültig zu beschließen – in der letzten Sitzung des Landtags in dieser Wahlperiode.

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Die Frage der Beamtenbesoldung beschäftigt seit Jahren die Gerichte, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den niedersächsischen Zuständen steht noch aus. Aber im Finanzministerium in Hannover wird seit Wochen offen eingestanden, dass das niedersächsische Regelwerk vermutlich nicht verfassungsgemäß ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in früheren Urteilen auf ein „Abstandsgebot“ Bezug genommen: Die Besoldung der Beamten muss um mindestens 15 Prozent über der Höhe der Grundsicherung für Arbeitslose liegen. Dieses treffe aber in Niedersachsen derzeit wohl nicht zu – und zwar bei Beziehern der Einkommensgruppen A5 bis A9 in der Laufbahngruppe II, sofern es um Alleinverdiener mit zwei Kindern geht. Nun hat das Finanzministerium ein schon in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ähnlich angewandtes Modell vorgelegt, das diesen Missstand beseitigen soll: Beamte, die Alleinverdiener sind, sollen einen „Familienergänzungszuschlag“ erhalten, der je nach Besoldungsgruppe variiert, also in den niedrigeren höher ausfällt als in den höheren. Wenn der Lebenspartner des Beamten ein eigenes Einkommen hat, soll dieser Zuschlag nicht gezahlt werden.

Juristen warnen: System versagt bei Alleinverdienern mit zwei Kindern

Der GBD hat diesen Vorschlag nun geprüft und räumt zunächst ein, dass damit der Mindestabstand der geringverdienenden Beamten mit zwei Kindern zur Grundsicherung hergestellt wird. Das erste Ziel sei also erreicht. Doch Dirk Oppenborn-Reccius vom Team der Landtagsjuristen hat nachgerechnet und festgestellt, dass mit diesem neuen System die Einkommen der nach A5, A6, A7 und A9 besoldeten Beamten, die Alleinverdiener sind und zwei Kinder haben, unterm Strich gleich hoch seien. „Es spielt bei ihnen also keine Rolle, welchen Dienstgrad sie haben“, sagt Oppenborn-Reccius. Das aber widerspreche einem anderen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatz, dass nämlich ein Abstand zwischen den verschiedenen Besoldungsgruppen gewahrt bleiben müsse. Das Argument, dass trotzdem die höhere Besoldungsgruppe bessere Aussichten auf Beförderung, eine höhere Alterssicherung verspricht oder eine höhere Wertschätzung ausdrückt, könne als Beleg für einen „Abstand“ wohl nicht ausreichen.



Corinna Kuhny vom Finanzministerium widersprach den Bedenken von Oppenborn-Reccius: Der Kreis der Betroffenen vom Familienergänzungszuschlag sei vermutlich gering, es gehe um „weniger als zwei Prozent der 140.300 Landesbeamten“, und in Juristenkreisen gelte schon die Ansicht, dass ein Gesetz tragfähig sei, wenn es zu 95 Prozent einwandfreie Regeln schaffe. Christian Grascha (FDP) stellte das nicht zufrieden, er warb dafür, dieses fragwürdige Modell „nicht übers Knie zu brechen“, denn es sei „rechtlich wackelig“. Eike Holsten (CDU) und Alptekin Kirci (SPD) rieten dazu, das Gesetz wie geplant im September zu beschließen – Nachbesserungen in der kommenden Wahlperiode seien dann ja möglich. Gerald Heere (Grüne) unterstellte dem Ministerium, es versuche „eine halbwegs anständige Lösung zu finden“, aber auch er sehe viele rechtliche Bedenken. Der Ausschuss hat sich zunächst um eine Woche mit seinen Beratungen vertagt.

Sonder-Regeln für Lehrer geplant

Die SPD/CDU-Koalition plant noch zwei Bonus-Regeln für Lehrer, die in der September-Landtagssitzung gesetzlich verankert werden sollen. Es geht zunächst um die Grenze der Hinzuverdienstmöglichkeiten für Pensionäre, die bisher auf maximal 25 Prozent der Pensionssumme begrenzt war. Künftig sollen es für zwei Jahre 50 Prozent sein. Auch die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütung für Lehrer, die über das vorgesehene Maß hinaus unterrichten, sollen angehoben werden.