Die Kritik kam in ungewohnter Schärfe: Der rot-grüne Gesetzentwurf zum Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB), den auch die FDP im Landtag mittragen will, sei „im Regelungsgehalt nicht eindeutig“, sagte Christian Wefelmeier vom juristischen Beratungsdienst des Landtags gestern in der Innenausschuss-Sitzung. Man habe „erhebliche Zweifel“. In vielen Punkten gebe es „Unklarheiten“, und in einem sagt er ganz klar: „Das ist rechtlich bedenklich. Es ist zweifelhaft, ob das in Bückeburg halten würde.“ Gemeint ist damit, dass eine verfassungsrechtliche Klage vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg nach Ansicht der Landtagsjuristen Erfolg haben könnte. Das ZGB-Gesetz, zu dem es vor knapp einem Jahr eine Anhörung im Landtag mit viel Kritik von den Kommunalverbänden gab, taucht jetzt nach mehreren Monaten Beratungspause wieder auf. Es stößt nun bei den unabhängigen Rechtsexperten des Parlaments auf massive Bedenken. Rot-Grün will trotzdem auf jeden Fall daran festhalten: „Vermutlich im März soll das Gesetz im Landtag beschlossen werden“, sagte Gerald Heere (Grüne) dem Rundblick.

Der Zweckverband, bislang ein koordinierendes Gremium mit wenig Zuständigkeiten, soll aufgewertet werden – indem etwa der Hochwasserschutz, touristische Großvorhaben, Raumordnungsstudien und „bedeutsame Gewerbegebiete“ auch in seine Kompetenz fallen sollen. Das Problem ist nur, dass für diese Bereiche bisher der Bund oder die Städte und Kreise zuständig sind, und die Autoren des Gesetzentwurfes wollen auch nicht, dass den Kommunen die Aufgaben entzogen werden. Es gehe lediglich um „Angebotsplanungen“, sagt Heere. Der SPD-Landtagsabgeordnete Detlef Tanke meint: „Wir wollen auf keinen Fall in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen.“ Auch die Direktwahl der Mitglieder der Verbandsversammlung ist in dem Gesetzentwurf für erstmals 2021 vorgesehen, doch dagegen haben die Landtagsjuristen keine juristischen Einwände: „Das ist eine rein politische Frage“, sagte Wefelmeier. Der Rechtsberater des Landtags kommt ansonsten zu einem harten Urteil zu den Vorschlägen der Fraktionen: „Die Rechtmäßigkeit kann nicht vollständig beurteilt werden.“ Vor allem gelte das für die Kultuspolitik. Dass der ZGB auch für Pläne für Berufsbildende Schulen zuständig werden soll, beiße sich mit dem Recht der Kommunen als Schulträger. Es sei „riskant, in die kommunale Selbstverwaltung einzugreifen.“ Zu näheren Verbesserungsvorschlägen sehe man sich außerstande, so Wefelmeier, da man den Sinn der Vorschläge gar nicht erkenne. Die Landtagsjuristen hätten das Innenministerium gefragt, doch die Experten dort hätten sich „außer Stande gesehen“, da es sich um einen Antrag aus dem Parlament handele.

Der SPD-Politiker Tanke reagierte im Innenausschuss verärgert auf die Einlassung der Landtagsjuristen: „Wir haben oft genug erklärt, was wir wollen. Das hätte den Juristen klar sein können.“ Er hätte sich von Wefelmeier „eine Formulierung gewünscht, die unseren Willen ausdrückt“. Die CDU-Politikerin Angelika Jahns erklärte, der Gesetzentwurf greife in die kommunale Planungshoheit ein und lege nicht offen, welche Folgekosten für Kommunen entstehen. Die drei anderen Fraktionen sollten den Entwurf „zurückziehen“. Tanke und Heere meinten, die Vorschläge würden jetzt nach Wefelsmeiers Hinweisen „überarbeitet“. Dem schloss sich auch Jan-Christoph Oetjen (FDP) an. Er sagte dem Rundblick: „Der Vorgang zeigt, wie schwierig es ist, wenn ein Gesetzesvorschlag aus den Fraktionen nicht vom Fachministerium überprüft worden ist.“ Die Landtagsjuristen seien mit der Routineüberprüfung von Gesetzentwürfen so ausgelastet, dass sie in solchen Fällen nicht noch Beratungsarbeit für die Fraktionen erfüllen könnten.