Niedersachsens Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) wirbt dafür, neue Formen der Bürgerbeteiligung auch in der Landespolitik auszuprobieren und diese als „Ergänzung“ der parlamentarischen Arbeit zu verstehen. „Immer wieder stellt sich die Frage, ob die parlamentarische Demokratie noch zeitgemäße Antworten auf die Probleme bietet – oder ob wir neue Angebote benötigen“, sagte Naber im Podcast mit Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter.

Hanna Naber, Präsidentin des Niedersächsischen Landtags, im Gespräch mit Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter | Foto: Anne Beelte-Altwig

Gerade die Bauernproteste der vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass im herkömmlichen korporatistischen System einiges im Argen liege. So gebe es natürlich Lobbygruppen, die für eine gute Übermittlung an Positionen von Landwirten an die politischen Entscheidungsträger verantwortlich sind. Gerade die Landwirtschaft verfüge über eine beträchtliche Zahl dieser Gruppen, und doch sei es nicht gelungen, bei der Berufsgruppe eine Zufriedenheit mit den politischen Prozessen zu erreichen. Für Naber folgt daraus die Überlegung, ob es neue und wirksamere Methoden der Artikulation von Interessen geben kann. Die im Bundestag gerade laufenden „Bürgerräte“ könnten einen solchen Weg vorzeichnen. Dort kommen ausgeloste Bürger zusammen und beraten über Wochen intensiv ein eng umgrenztes Thema. Kürzlich wurden hier Vorschläge zur Landwirtschafts- und Ernährungspolitik vorgelegt, unter anderem empfahlen die Teilnehmer ein kostenloses Schul-Mittagessen für alle Schulkinder und die Einführung einer Tierwohl-Abgabe, wie sie schon seit Jahren in der Politik diskutiert wird.

Naber erklärte, auch sie habe diese Tätigkeit der „Bürgerräte“ anfangs skeptisch gesehen, da ein weiteres Gremium neben dem Parlament die Bedeutung des Parlamentes schwächen könne. „Mittlerweile glaube ich aber, dass wir einen Punkt erreicht haben, auch über solche Varianten nachzudenken.“ Nicht jedes neue Beteiligungsformat sei erfolgversprechend, und es müsse nicht schlimm sein, wenn man etwas starte und dann feststelle, dass es nicht gelingen kann. Nötig seien aber kreative neue Möglichkeiten zur Ergänzung und Stärkung der Parlamentsarbeit. Daneben müssten Landtage und Bundestag aber stark und selbstbewusst auftreten. Naber wendet allerdings ein, dass die Vorschläge solcher „Bürgerräte“ auch nicht verpuffen dürften – „die Menschen, die da mitmachen, müssen auch merken, dass sie damit etwas bewirken können“. An die Politiker appellierte Naber, sie sollten „mutiger und kreativer werden“.



Im ersten Jahr ihrer Amtszeit hatte die SPD-Politikerin das Motto ausgegeben „Liebe Demokratie, bist Du für alle da?“. Dabei kreisten Veranstaltungen um die Frage, ob wirklich alle Gruppen gut genug im Parlamentarismus repräsentiert werden. „Wir hatten eine Veranstaltung zum Wahlrecht für 16- und 17-Jährige, und ich war überrascht, wie viele junge Menschen dieser Reformidee skeptisch gegenüberstehen“, erklärt Naber, die selbst eine Anhängerin des Wahlalters 16 ist. In diesem Jahr lautet Nabers Motto „Echt jetzt, Demokratie – hörst Du mir zu?“. Das zielt nun auf die Debattenkultur und die Formen der Artikulation von Interessen. Sich selbst schreibt die Landtagspräsidentin ein „hörendes Herz“ zu, eine Fähigkeit, auf Bedürfnisse und Sorgen der Menschen einzugehen.

„Leider bleibt die Landespolitik bisher immer etwas unter dem Radar, dabei werden hier doch viele für die Menschen entscheidende Dinge beschlossen.“

Die SPD-Politikerin stammt aus Neuenhaus in der Grafschaft Bentheim, wurde in der kirchlichen Jugendarbeit geprägt und ging dann als Arbeiterkind zu den Jungsozialisten. Nach ihrem Studium von Pädagogik und Sozialmanagement in Oldenburg ging sie zur Caritas, zum DGB und zur Jugendorganisation „Die Falken“, dann zur Arbeiterwohlfahrt, wo sie bis zur Wahl in den Landtag 2017 Bezirksgeschäftsführerin war. Ihre Rolle als Landtagspräsidentin vergleicht sie mit der eines Klassenlehrers oder Schiedsrichters, der auf die Einhaltung von Spielregeln im Parlament achten muss. Außerdem ist sie Chefin der Landtagsverwaltung mit ihren rund 200 Mitarbeitern. Naber stellt in der Gesellschaft „einen wachsenden Zorn“ fest, sagt aber gleichzeitig, dass man diesen „nicht in das Parlament tragen soll“. Sie wünsche sich, dass die Medien die Arbeit des Landtages intensiver begleiten. „Leider bleibt die Landespolitik bisher immer etwas unter dem Radar, dabei werden hier doch viele für die Menschen entscheidende Dinge beschlossen.“